Rosenhöhe – Neue Künstlerkolonie
Ein Beitrag von Nikolaus Heiss
Großherzog Ernst Ludwig gründete 1899 die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe, in die im Laufe ihres Bestehens bis 1914 insgesamt 23 Künstler berufen wurden.
Sie schufen begehbare Lebenswelten in zukunftsweisenden Bauten als ästhetische Gesamtkunstwerke mit Ausstattungen vom Mobiliar bis zum Geschirr, eingebettet in eine Parkanlage mit Skulpturen und Brunnen. Die Einzigartigkeit und Bedeutung dieser Anlage fand im Juli 2021 mit der Eintragung in die Liste der UNESCO-Welterbestätten die höchste Anerkennung.
Prinz Ludwig von Hessen, Sohn des Großherzogs, war einer der Initiatoren des 1953 gegründeten Vereins „Neue Künstlerkolonie Rosenhöhe“, der die Ideen der Kolonie auf der Mathildenhöhe aufgreifen und in zeitgemäßer Form wiederbeleben wollte. Anders als das programmatische Vorbild sollten soziale Aspekte im Vordergrund stehen und geistig und künstlerisch Schaffenden bei geringer Miete eine Wohn- und Arbeitsstätte auf Lebenszeit ermöglicht werden. Für das Projekt stellte der Prinz im westlichen Teil des Parks Rosenhöhe gleich hinter dem Löwentor Grundstücke zur Verfügung. In zwei Stufen 1955 und 1967 entstanden hier mit Unterstützung der Wiederaufbau GmbH neun Wohn- und Atelierhäuser. Nachdem sich 1974 der Verein auflöste, übernahm die Stadt Darmstadt die Gebäude, die auch heute noch nur an Kulturschaffende vermietet werden.
Wohnraum für Kulturschaffende
In der ersten Bauphase wurden zwei Künstlerhäuser für prominente Darmstädter Künstler im Edschmidweg errichtet: Für Gustav Rudolf Sellner, den Intendanten des Darmstädter Theaters und für den Schriftsteller Kasimir Edschmid. Die pavillonartigen, sehr niedrigen eingeschossigen Gebäude mit flach geneigten Pultdächern ordnen sich zurückhaltend in die Landschaft des Parks ein. Sie sind im architektonischen Ausdruck bungalowartig und im Detail und in der Materialität äußerst sparsam im Geist der 1950er Jahre gestaltet. Die Eingangsseiten beider Gebäude zeigen sich architektonisch in bescheidenster Weise. Während sich das Haus Edschmid, geplant von Alois Giefer und Hermann Mäckler, in seiner leicht abgewinkelten Form besonders gut in das Gelände schmiegt, inszeniert der Architekt Hans Schwippert beim Haus Sellner mit einem nach Südwesten zur Parklandschaft gerichteten, ansteigenden Mittelrisaliten mit hoher Fensterfront den Wohnraum des Gebäudes in auffälliger Weise. Das Haus Edschmid wurde 1957 vom Land Hessen als vorbildliche Leistung ausgezeichnet, wie ein Plakette am Gebäude dokumentiert.
Sieben weitere Künstleranwesen
Die Gebäudegruppe der zweiten Bauphase im Ludwig-Engel-Weg entstand nach Plänen der Arbeitsgemeinschaft Rolf Prange, Heribert Hausmann, Bert Seidel und Reinhold Kargel. Jedes der sieben Künstleranwesen wurde bebaut mit einem Ateliergebäude mit steilem Pultdach und einer Galerie, sowie einem zugeordneten großen eingeschossigen Wohnteil mit Flachdach. Dominiert wird die Siedlung von Ateliergebäuden aus schalungsrauhem Sichtbeton mit ihren großen Glasfronten nach Norden. Die zurückhaltenden flachen Wohngebäude sind mit roten Hartbrandklinkern und Sichtbeton gestaltet. Die ersten dort wohnenden Künstler waren der Kritiker und Schriftsteller Georg Hensel, der Bildhauer Wilhelm Loth, der Lyriker Karl Krolow, der Lyriker Frank Thieß, der Direktor des Bauhaus-Archivs Hans Maria Wingler, der Schriftsteller Heinrich Schirmbeck und die Schriftstellerin Gabriele Wohmann.
Alle neun Gebäude der Neuen Künstlerkolonie stehen aus künstlerischen und geschichtlichen Gründen unter Denkmalschutz.
Der Autor
Nikolaus Heiss war von 1981 bis 2010 Denkmalpfleger der Stadt Darmstadt, ab 2008 zuständig für die Welterbebewerbung der Künstlerkolonie, die nach Zusammenarbeit ab 2014 mit dem Welterbeteam am 24. Juli 2021 zum Erfolg führte.