Der Wildpark Kranichstein

Eine der reizvollsten und vielfältigsten Kulturlandschaften Darmstadts ist der ausgedehnte Wildpark Kranichstein. Eine ländliche Idylle im Osten Darmstadts, eingebettet in ein sehr großes von Straßenverkehr kaum beeinträchtigtes Waldgebiet, das sich von Dreieich im Norden bis in den Naturpark Odenwald erstreckt. Nahezu ungestört lässt sich in wechselnden Naturräumen kilometerweit wandern oder radfahren.

Kranichstein Jagdschloss
Luftaufnahme Jagdschloss

Über Jahrhunderte gewachsen, von Menschenhand mitgeformt, entstand hier ein spannendes Mosaik von Waldstücken, Wegen, Alleen, Schneisen, Wasserläufen, Teichen, Parks, Solitärbäumen, Jagdeinrichtungen und Gebäuden, wie dem alles beherrschenden dreiflügeligen Jagdschloss mit dem heutigen von Großherzog Ernst Ludwig initiierten Jagdmuseum, dem Kavaliersbau mit Gastronomie sowie dem europaweit einzigartigen Jagdzeughaus, das heute das Bioversum beherbergt.

Kernschneise
Kernschneise Jagdschirm

Dieses Ensemble verändert mit dem Wechsel der Jahreszeiten sein ohnehin schon anregendes Erscheinungsbild auf vielfältige Weise: Im Frühjahr das junge Grün des wiederkehrenden Lebens, im Sommer die volle Pracht der Vegetation, im Herbst das hinreißende Spiel der Farben und im Winter die ruhende Natur manchmal tief verschneit, graphisch schwarz-weiß. Darin zu laufen, zu schauen, öffnet immer wieder neue Blicke auf eine märchenhafte, höchst ästhetische Welt, von Menschen berührter Natur gezähmt, aber auch wieder ihrem natürlichen Wuchs überlassen. Hier haben Fürsten ihrer Jagdleidenschaft folgend, ein ausgedehntes Waldgebiet für ihre Zwecke genutzt und geformt. Besonders auffällig und bedeutend sind zwei große, der Jagd dienende Schneisensterne an der Dianaburg und am Jagdschloss.

Kernschneise Alexanderburg Saufanghäuschen
Jagdschloss

Einige der ehemaligen Sichtschneisen sind kilometerlang wie die kerzengerade eindrucksvolle Kernschneise mit ihren fast drei Kilometern, die heute den Wildpark im Osten erschließt. Dieses großartige jagdliche Erbe wurde damals, vor allem im 18. Jahrhundert – allerdings ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung – angelegt und auch wenn sich aus heutiger Sicht dieses fürstliche Gehabe kritisieren lässt, so entsprach dieses Handeln doch dem barocken landgräflichen Zeitgeist. Das Ergebnis ist ein herausragendes Zeugnis seiner Zeit, das seit 1986 aus geschichtlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Gründen unter Denkmalschutz und damit im Fokus des öffentlichen Interesses steht. Diese wunderschöne Landschaft mit den eingestreuten geschichtsträchtigen Gebäuden für uns alle und die Nachwelt zu bewahren und zu pflegen, ist eine bedeutende Aufgabe.

Der Autor
Nikolaus Heiss war von 1981 bis 2010 Denkmal­pfleger der Wissenschaftsstadt Darmstadt, ab 2008 zuständig für die Welterbebewerbung der Künstlerkolonie, die nach Zusammenarbeit ab 2014 mit dem Welterbeteam am Juli 2021 zum Erfolg führte.