Besser kann kein Matchball sitzen

„Zeit, sich aus dem Staub zu machen“ – Die Darmstädterin Andrea Petković gewährt in ihrem zweiten Buch besondere Einblicke nach dem Ende ihrer Tennis- Karriere.

von Frank Horneff

Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, sich auszuruhen nach dem Ende ihrer Tenniskarriere. Eigentlich. Aber es kam anders. Und wer sie auf dem Tennisplatz gesehen und ab und zu auch daneben erlebt hat, kommt schnell drauf, dass das nicht geht. Weil ausruhen nicht zu ihr passt. Ausruhen ist nichts für Andrea Petković. In „Zeit, sich aus dem Staub zu machen“, ihrem zweiten Buch nach „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ (2020), braucht es knapp zweihundert Seiten bis zum entscheidenden Satz, gegen Ende des Buches, vergleichbar mit einem emotionalen Match.

„Man bekam den Menschen aus dem Sport heraus, aber den Sport nicht aus dem Menschen.“ Besser kann kein Matchball sitzen, als eben jener Satz, der alles sagt über die Darmstädterin, die auszog, um zu den besten Tennisspielerinnen der Welt zu gehören. Harte Arbeiterin, schonungslos zu sich selbst. Schonungslos und hart – und in den entscheidenden Momenten auch nachdenklich, manchmal schwermütig aber nicht zerbrechlich. Denn davor steht die Disziplin in all den Jahren ihrer beachtlichen Tenniskarriere. Und doch gelingt es ihr loszulassen, unmittelbar nach dem letzten Match, gelingt es, auch mal Schwäche abseits des Platzes zuzulassen. Auch davon lebt das Buch. Von diesen Einblicken, offen und klar.

Andrea Petković, die erfolgreiche Sportlerin, die schreiben kann, die unterhaltsam ist und inzwischen auch als TV-Moderatorin und Kommentatorin überzeugt, hat ein sehr ehrliches Buch geschrieben. Ehrlich und intim. Nah dran. Mehr Nähe, als die Nähe kalter Badewannen-Keramik auf nackter Haut zuzulassen, eindringlich geschildert, geht kaum. Schon ihr Debüt „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ überzeugte – und das sicher nicht wegen des pathetischen Titels.

„Zeit, sich aus dem Staub zu machen“ überzeugt genauso und etabliert sie als bemerkenswerte Autorin. Weil Petković schonungslos in den Spiegel blickt. Und Nähe zulässt, die nicht selbstverständlich ist, wenn man sie auf dem Tennisplatz gesehen und ab und zu auch daneben erlebt hat.

Zeit, sich aus dem Staub zu machen | Andrea Petković | Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024 | 217 Seiten | 23 Euro | ISBN 978-3-462-00626-1