Das Nikolaus und Klaus
„Stille Nacht, heilige Nacht …“ – „Kommen Sie, kaufen …“ – „ … Tannenbaum, wie grün …“ – „Billig, billig …“ – „ … Röckchen, wann kommst du …“
Darmstädter Weihnachtsmarkt. Die Reize, die zur Besinnlichkeit anregen sollen, sind unverkennbar.
Lassen Sie sich vom Fest der Liebe verzaubern! stand mit krakeliger Schrift auf dem teils zerrissenen, teils aufgeweichten Pappkarton, der an einer großen Holzkiste lehnte. Die Kiste befand sich am Rande des Darmstädter Marktplatzes in der Nähe des riesigen Weihnachtsbaumes. Darauf stand eine beeindruckende Gestalt mit dickem Bauch, rotem Anzug, langem weißem Bart und einer Zipfelmütze auf dem Kopf, bewegungslos in die Ferne blickend. Selbst seine Augen blinzelten nicht. Passanten blieben stehen und rätselten, ob der Nikolaus tatsächlich aus Fleisch und Blut war. Einer holte seine Geldbörse heraus, suchte nach einem EURO und warf das Geldstück in den kleinen Korb, der neben dem Pappkartonschild stand. Sofort ruckelte die Gestalt wie eine schlecht geölte Maschine, langsam wurden die Bewegungen fließender, wirkten aber roboterhaft. Der Verkleidete klimperte mit den Augen, verzog das Gesicht zu einem breiten Lächeln und nahm langsam den großen roten Sack vom Rücken, um ihn auf der Holzkiste abzustellen. Er griff hinein, holte eine Mandarine heraus und hielt sie dem erstaunten Passanten vor die Nase. Dieser stopfte achtlos den Geldbeutel, den er bis eben noch in der Hand hielt, in seine Hosentasche und nahm das kleine Geschenk entgegen. Der Nikolaus warf sich elegant den großen roten Sack über die Schulter und stand im nächsten Moment wieder regungslos auf der Holzkiste. Das Schauspiel begeisterte. Einer nach dem anderen schälte sich aus der Menschenmenge heraus, kramte einen Geldbeutel hervor, warf eine Münze in den kleinen Korb und wurde mit einen Apfel, eine Nuss oder sonst einer Kleinigkeit beschenkt.