„Büchner Sixty-Nine“ von Frank Schuster

Roman über packende Darmstädter Zeitgeschichte der 68er

Rezension von Andreas „Andel“ Müller eines „Hauptakteurs“ damals

Kommt man selbst als Akteur der in einem Buch geschilderten Ereignisse vor, liest man es mit einem spezielleren Blick als andere Leser. Zu vielen Stationen der – oft turbulenten – Handlung werden eigene, die persönliche Rolle womöglich etwas verklärende Erinnerungen wach und mit der Darstellung des Autors verglichen.

Daher eins vorab: Frank Schuster ist es mit überzeugender Sprache prima gelungen, der Historie der Ereignisse in Darmstadt im Spätsommer 1969 wie auch den Akteuren gerecht zu werden. Mit ebenso großem Erfolg verleiht er seinem Roman eine eigene, über die damalige Realität hinaus reichende Note. Das macht „Büchner Sixty-Nine“ sowohl für die vielen damals jungen Aktiven, wie für alle nachfolgenden Generationen rundum interessant und zudem mit großem Vergnügen und Erkenntnisgewinn lesbar.

Wer damals nicht dabei war, wird erstaunt feststellen, dass nicht die mittlerweile in ideologische Schieflage abgerutschte Greta Thunberg den „Schulstreik“ erfunden hat, sondern eben Darmstädter Schüler, insbesondere ein harter Kern von der Georg-Büchner-Schule (GBS) und vom Ludwig-Georgs-Gymnasium (LGG). Ihnen schlossen sich bald vor allem die Oberstufenschüler anderer Schulen wie der Lichtenberg-, Justus-Liebig- und der Viktoriaschule an.

Ihr Streik richtete sich gegen die Relegation des Lehrers Heinz Lüdde vom GBS, sowie die hanebüchene, sowohl pädagogisch als auch juristisch umstrittene Begründung dieses Rausschmisses. Die turbulenten Protest- und Aktionswochen schildert Frank Schuster aus der Sicht seiner drei frei gestalteten Protagonisten Michael, Thomas und Marion, die auch in der Art, wie sie mit den Ereignissen umgehen und sich weiterentwickeln, stellvertretend für viele andere stehen. Frank Schuster lässt sie, ihre Sicht auf die Ereignisse und auf wichtige Personen weitgehend gleichberechtigt zu Wort kommen, was seine Erzählung zusätzlich zum ohnehin reichhaltigen Geschehen abwechslungsreich und individuell gestaltet.

Der Kern der Protestschüler traf sich im Republikanischen Klub – damals ein Ort der Koordination der vielfältigen Proteste (Vietnam, Kalter Krieg, umstrittene Hochschulreform und eben auch Lüdde) in der Erbacher Straße. Dort wurden sie von Studenten der Universität (damals TH, heute TU) beraten, hatten Lesekreise, sammelten ihre Ideen und berieten deren Umsetzung.

Marion, Michael und Thomas kommen mit jeder Teilnahme an einer Demo, einem Teach-In, mit jeder Vollversammlung an ihrer Schule dem inneren Kern von drei, vier Protagonisten näher. Zu diesen – das soll nicht unterschlagen werden – gehörte (unter meinem alltäglichen Rufnamen „Andel“) auch ich. Die Sicht der drei auf die Ereignisse deckt sich nicht immer ganz mit den eigenen Erinnerungen, aber das ist für die Lektüre völlig unerheblich. Die Leser erhalten trotzdem einen realistischen Eindruck vom Ablauf all dessen, was sich damals abspielte. Die Proteste gegen den Rausschmiss Lüddes hatten keinen direkten Erfolg, eher im Gegenteil, statt der Wiedereinstellung Lüddes wurden zwei weitere Relegationen ausgesprochen. Sie trafen einen Schüler des GBS (Andreas Resch) und einen des LGG, der einer der Sprecher bei öffentlichen Aktionen war, nämlich mich.

„Büchner Sixty-Nine“ lässt die turbulenten Monate des Jahres 1969 wieder aufleben – und zeigt, dass sich Engagement für die Werte, die auch Georg Büchner so deutlich vertrat, auch dann lohnen, wenn sich Erfolge erst später einstellen.

Anm. der Red.: Den Rauswurf aus dem LGG hat Andreas „Andel“ Müller (auf dem Foto links neben Autor Frank Schuster) auf die sinnvollste Weise gekontert: Er wurde beliebter Lehrer und engagiert sich bis heute!

Büchner Siyty-Nine | Frank Schuster | mainbook Verlag | 217 Seiten | ISBN 978-3-911008-39-6 | 14 Euro (UVP)

Lesungen

Do., 4.9.25 | 20 Uhr | Riedstadt-Goddelau | Büchnerhaus | Weidstr. 9
Mo., 8.9.25 | 19 Uhr | Darmstadt | Literaturhaus | Kasinostraße 3*
Sa., 20.9.25 | 20 Uhr | Darmstadt | Agora | Erbacher Straße 89a*
Fr., 29.9.25 | 19.30 Uhr | Roßdorf | Handwerksmusesum | Holzgasse 7*

* an diesen Terminen ist Andreas Müller voraussichtlich als Gesprächspartner ebenfalls dabei