Patric Pfeiffer zeigt Stärke

Von Stephan Köhnlein

Der Innenverteidiger steckt Rückschläge weg und überzeugt mit Leistung

Platzverweis, Verletzung oder die Wechselspekulationen – die Saison des Patric Pfeiffer ist bislang alles andere als ruhig verlaufen. Doch Rückschläge und Turbulenzen steckt der 23jährige weg. Schon jetzt zählt er zu den besten Innenverteidigern der Liga. Dass er kommende Saison noch für die den SV Darmstadt 98 am Ball ist, gilt als unwahrscheinlich.

Mit den Medien spricht Patric Pfeiffer nicht gerne. Seine Statements gibt der zurückhaltende Innenverteidiger lieber auf dem Platz ab. Wie Anfang Oktober gegen Düsseldorf. In der 73. Minute schlug Fabian Holland einen hohen Eckball in den Strafraum. Pfeiffer schraubte sich in die Luft und köpfte den Ball zum Tor des Tages ein. „Die Ecke von Fabi war eigentlich viel zu hoch, aber das sind genau die richtigen Bälle für Paddy“, scherzte Keeper Marcel Schuhen später. „Der kriegt die Bälle dann auf 3,50 Metern Höhe noch irgendwie, wo sonst keiner mehr hinkommt.“ Abgesehen von seinem Tor bot Pfeiffer als Abwehrspieler eine souveräne Leistung und wurde später von mehreren Medien zum Spieler des Spiels gewählt.

Warum sich Pfeiffer manchmal selbst im Weg steht

Das war umso bemerkenswerter, weil Pfeiffer noch in der Vorwoche beim 2:1-Sieg in Paderborn schwächster Lilien-Spieler auf dem Platz gewesen war. Ihn traf beträchtliche Schuld am Gegentor, er verursachte einen Elfmeter und zeigte zahlreiche Stockfehler in der Defensive, aber auch in der Spieleröffnung, die sonst zu seinen Stärken zählt. Diese Aufs und Abs sind bezeichnend für die Saison des Innenverteidigers. Er verfügt über enorme Anlagen, steht sich aber auch manchmal noch mit Phlegma und Unkonzentriertheit selbst im Weg.

Rückblick: Bereits in der vergangenen Saison scheiterten die Lilien mehrfach mit dem Versuch, Pfeiffers bis Sommer 2023 laufenden Vertrag vorzeitig zu verlängern. In der Sommerpause waberten Gerüchte über das Interesse verschiedener Bundesligisten (Bochum, Bremen, später Augsburg) am Böllenfalltor. Pfeiffer wäre gerne ins Fußball-Oberhaus gewechselt. Der SV Darmstadt 98 pochte auf den Vertrag und lehnte ab. Spieler und Berater akzeptierten nach eigener Aussage die Situation.

Wie der Spieler böse Unterstellungen widerlegte

Doch es wurde nicht ruhiger um Pfeiffer. Ein lautstarker Trainingsstreit mit Trainer Torsten Lieberknecht, eine Gelb-Rote Karte im Auftaktspiel gegen Regensburg – wollte Pfeiffer etwa einen vorzeitigen Wechsel erzwingen, wie das Spieler anderswo auch schon getan hatten? Nach der abgesessenen Sperre warf ihn zunächst noch eine Verletzung zurück, doch dann widerlegte Pfeiffer diese Unterstellungen. Beim Auswärtssieg gegen seinen Ex-Klub Hamburger SV war er Torschütze und einer der besten Lilien-Spieler auf dem Platz. Auch danach bot er gute Leistungen – mit Ausnahme des
Paderborn-Spiels eben.

Coach Lieberknecht betont immer wieder, dass seine Spieler Fehler machen dürfen. Bei Pfeiffer habe er sich ganz bewusst dafür entschieden, ihn nicht gegen Paderborn auszuwechseln und ihm auch keine Pause gegen Düsseldorf zu geben. So könne er den Spieler fördern und seine Persönlichkeit stärken. Pfeiffer zeigte dann, dass er gelernt hat. In den vergangenen gut drei Jahren hat Pfeiffer einen beachtlichen Reifeprozess hingelegt.

Sportchef Wehlmann sah das Potenzial

Im Sommer 2019 war Pfeiffer zum SV Darmstadt 98 gekommen, nachdem er sich nach seiner Ausbildung in der Jugend des Hamburger SV dort bei den Profis nicht hatte durchsetzen können. Pfeiffer springe immer nur so hoch, wie er müsse, aber nicht so hoch, wie er könne, lautete ein Vorwurf, der immer wieder zu hören war. Doch Sportchef Carsten Wehlmann, der Pfeiffer schon in der HSV-Jugend wahrgenommen hatte, sah in dem 1,96-Meter-Mann wegen seiner Größe, Physis und Schnelligkeit viel Potenzial.

Der Umzug nach Darmstadt war dann ein großer Schritt für den Sohn ghanaischer Eltern, der bis dahin sein ganzes Leben in Hamburg verbracht hatte. Nachdem er zuvor nur in der Regionalliga für die Zweitvertretung des HSV gespielt hatte, benötigte er in Darmstadt etwas Anlaufzeit für den Sprung in den Profifußball.

Stammspieler erst ab der dritten Lilien-Saison

In der ersten Spielzeit kam er auf gerade sieben Einsätze, wobei ihn der damalige Coach Dimitrios Grammozis zunächst wegen seiner Größe mehrfach in der Schlussphase sogar als Stürmer eingewechselt hatte.

In der zweiten Saison stand Pfeiffer am 1. Spieltag in der Startformation, verschuldete jedoch mit einem haarsträubenden Rückpass das entscheidende Gegentor bei der 2:3-Niederlage gegen den SV Sandhausen. Danach war er erstmal einige Spiele draußen. Als er sich dann in der Rückrunde als Stammspieler etabliert zu haben schien, setzte ihn ein Syndesmosebandriss matt. Die erste volle Zweitliga-Spielzeit bestritt er dann unter Trainer Torsten Lieberknecht in der vergangenen Saison, wo er auf 31 Ligaspiele kam.

Verbleib in Darmstadt unwahrscheinlich

Dass Pfeiffer nach der laufenden Saison weiter in Darmstadt bleibt, gilt als unwahrscheinlich, ebenso wie ein vorzeitiger Wechsel im Winter. Mit seinem Berater wird er sich in der Winterpause zusammensetzen und die Optionen für die Zukunft ausloten. Dabei könnte sich für Pfeiffer das Bleiben bis zum nächsten Sommer durchaus auszahlen. In Darmstadt hat er die Möglichkeit, weiter regelmäßig zu spielen, zu reifen und zu zeigen, dass er die mentale Stärke hat, Rückschläge wegzustecken. Das stärkt seine Position auch bei Verhandlungen über einen neuen Vertrag – wo auch immer.

Zur Person
Patric Pfeiffer kam am 20. August 1999 in Hamburg zur Welt. Seine Eltern sind Ghanaer und waren vor der Geburt ihrer Kinder nach Deutschland gekommen. Er wuchs als zweites von drei Kindern mit einer älteren Schwester und einem jüngeren Bruder im Stadtteil Steilshoop auf. Pfeiffer begann als Kind beim Bramfelder SV und wechselte 2013 in das Nachwuchsleistungszentrum des Hamburger SV. Beim HSV durchlief er alle Nachwuchsmannschaften und erhielt im November 2017 seinen ersten Profivertrag. Er spielte aber weiter in der zweiten Mannschaft. Im Sommer 2018 rückte Pfeiffer in den Profikader auf, kam dort aber nie zum Einsatz.
Zur Saison 2019/20 wechselte Pfeiffer zum SV Darmstadt 98. Er debütierte am 15. Spieltag als Einwechselspieler. In seiner ersten Saison kam er auf sieben Einsätze. In der folgenden Spielzeit waren es 18 Partien. In der Saison 2021/22 wurde er Stammspieler und bestritt 31 Ligaspiele. Pfeiffer absolvierte in der U18 und der U19 insgesamt vier Einsätze für Deutschland.
Im Juli 2022 gab der ghanaische Fußballverband bekannt, dass Pfeiffer künftig für die ghanaische Nationalmannschaft
spielen werde. Bislang kam er dort jedoch nicht zum Einsatz.