Kunst am Auditorium Maximum

Helmut Lander

Ein Beitrag von Renate Charlotte Hoffmann

1970 zog die Hochschulverwaltung vom alten Hauptgebäude in den nach dreijähriger Bauzeit fertiggestellten, siebengeschossigen Neubau am Karolinenplatz in Darmstadt, der mit seinen umlaufenden Fensterbändern ganz im funktionalen, nüchternen Stil der 1960er Jahre gestaltet ist. Im Gegensatz dazu entstand unmittelbar daneben der rundum künstlerisch gestaltete Flachbau des Audimax mit dem großen Hörsaal für 740 Personen und sechs weiteren Hörsälen. Der Komplex dient für Vorlesungen, universitären Veranstaltungen, Festivitäten und Konzerte.

Luftaufnahme aus dem Jahr 2015


Karolinenplatz 5 – Außengestaltung von Helmut Lander

Der bekannte Darmstädter Bildhauer Helmut Lander (1924–2013) hat mit der künstlerischen Bearbeitung der Außen- und Innenwände des Verwaltungs- und Hörsaalzentrums der Technischen Universität Darmstadt seine Aufgabe, „Kunst am Bau“ zu gestalten, überraschend konsequent umgesetzt. Seine äußerst abstrakte skulpturale Fassaden- und Wandgestaltungen verkleiden und durchdringen den Baukörper in seinem Volumen vollständig und scheinen ihn damit gleichsam schichtweise offenzulegen.

Schauseite ist die nach Süden gelegene Fassade mit dem Eingang zum innen befindlichen Hörsaal Audimax. Horizontal gelagerte Reihen von vor- und zurückspringenden Schmuckelementen aus rüden Materialien wie Beton, Kies, ockergrauem, groben Putz in flachen längsrechteckigen Quadern, schieben sich über die Fassade. Als ob sie die einzelnen Bauteile und innere Raumgliederung auch außen markieren wollten, durchstoßen vertikale Elemente des Reliefs jeweils die westliche, östliche und nördliche Außenwand des Gebäudes. Die östlichen und westlichen Fassaden werden von Vertikalen unterbrochen, die wie eingeschobene Wände dastehen, abgebrochen, als könne man daran ansetzend jederzeit weiterbauen.

Die so gestaltete Außenskulptur setzt sich im Innern des Gebäudes fort. Auch hier schieben sich Streben über und untereinander, Gelenkstellen werden sichtbar, Öffnungen und Einkerbungen legen das Innere bloß, Verkrustungen betonen den Materialcharakter. Die Offenlegungen evozieren die Vorstellung von Versorgungssystemen, das Gestänge und Geschiebe scheinen sich unter der Sichtbetonwand fortzusetzen.

Die horizontale Skulptur wird zuweilen von senkrecht verlaufenden Elementen in gleicher Manier konterkariert, wodurch eine belebende Spannung in die horizontal, betonte Reliefwand gebracht wird. Für die Negativformen ließ der Künstler Styroporstücke in den Beton einsetzen um sie dann auszubrennen, für die erhabenen Reliefteile ließ er vorgefertigte hohle Formen aufsetzen, die erst an der Wand ausgegossen wurden.

Insgesamt wird die Architektur in ihrer Gesamtheit von der Reliefplastik bestimmt und könnte somit als große Skulptur bezeichnet werden. Oder umgekehrt: die Skulptur fügt sich fast bis zur Selbstaufgabe der Architektur ein – tatsächlich wurden die Skulpturenteile bereits in der Rohbauphase in die Architektur integriert – das Gebäude wird mit diesem Zusammenwirken zu einer materialbetonten, rhythmisch gegliederten skulpturalen Architektur.

Lander reagiert auf die Architektur und gibt ihr eigene Akzente, indem er das technisch konnotierte Gebäude in einen Dialog mit der Kunst setzt.

Renate Hoffmann

Die Autorin

Renate Charlotte Hoffmann hat als Kunsthistorikerin ab 2008 zusammen mit Nikolaus Heiss an der Welterbebewerbung der Künstlerkolonie mitgearbeitet, die nach Zusammenarbeit ab 2014 mit dem Welterbeteam am 24. Juli 2021 zum Erfolg führte.