Ehemalige Prüfhalle in Bessungen

von Nicolaus Heiss

Darmstadts eleganteste Parkplatzüberdachung

Ehemalige Prüfalle 2012, Foto: Nicolaus Heiss

Die ehemalige Prüfhalle des Technischen Überwachungsamtes Hessen wurde zwischen 1958 und 1960 vom Staatsbauamt Darmstadt unter der Leitung von Hermann Tuch errichtet. Die ingenieursmäßige Planung der Stahlbetonkonstruktion für große Spannweiten mit geringem Eigengewicht übernahm Wilhelm Fuchssteiner. Ursprünglich war die Halle an allen Seiten offen und somit nur eine Überdachung. Der Eindruck einer Halle entstand durch die an den Längsseiten stehenden geschlossenen Boxen für Büros und Nebenräume sowie vor allem durch die 1995 auf drei Seiten hinzugefügten großen Glaswände, die wegen der nicht mehr zumutbaren Zugerscheinungen für die dort Arbeitenden eingebaut werden mussten.

Die Prüfhalle auf dem ehemaligen Gelände des Technischen Überwachungsamts. Bild aus dem Jahr 2010.

Das weit auskragende Dach aus Stahlbeton steht auf 12 Stützen, in deren Inneren das Regenwasser abgeführt wird. Die Dachfläche ist 34 mal 42 Meter groß und besteht aus sechs gleichen, untereinander verbundenen Segmenten von jeweils sieben mal 34 Meter, die von jeweils zwei Stützen getragen werden. Die Querschnittsform dieser zur Erhöhung der Knick- und Biegesteifigkeit doppelt gekrümmten Segmente wurde aus den Kräften entwickelt, die in der Dachkonstruktion wirken und folgt einer auf den Kopf gestellten Momentenlinie (zeichnerische Darstellung der in einem Träger wirkenden Kräften). Die Form des Daches unterliegt demnach nicht gestalterischen Gesichtspunkten, sondern ergab sich aus rein statischen Berechnungen, die eine Minimierung des Materialaufwands möglich machte. Auf diese Weise konnte die Dachplatte an der dünnsten Stelle auf nur zehn Zentimeter Stärke reduziert werden. Die architektonische Erscheinung der Überdachung ist von hoher Eleganz und Leichtigkeit durch den flachen, weit auskragenden Dachrand und die Untersicht mit ihren schwingenden Flächen. Mit vielen kleinen runden Dachoberlichtern ist die innere Fläche wie mit Bullaugen regelmäßig perforiert und erhält einerseits auf diese Weise natürliches Licht, andererseits wird so das membranhafte der Dachhaut gezeigt und betont.

Mit dem Verlust der Nutzung als Prüfhalle 2005 war zunächst der Abbruch geplant, der aber von der Denkmalschutzbehörde gestoppt wurde. Eine Bewertung durch die Denkmalpflege kam zu dem Ergebnis, dass die Konstruktion aus künstlerischen, technischen und wissenschaftlichen Gründen ein Kulturdenkmal ist, an dessen Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht. So konnte nach Beseitigung sämtlicher An- und Einbauten die reine Struktur mit ihrer Klarheit wieder zur Geltung kommen. Seit 2012 dient die ehemalige Halle als futuristisch wirkende Überdachung mit ihrem ästhetisch ansprechenden Äußeren als Regenschutz eines Parkplatzes des nebenan neu errichteten Einkaufszentrums.

Über den Autor

Nikolaus Heiss war von 1981 bis 2010 Denkmalpfleger der Stadt Darmstadt, ab 2008 zuständig für die Welterbebewerbung der Künstlerkolonie, die nach Zusammenarbeit ab 2014 mit dem Welterbeteam am 24. Juli 2021 zum Erfolg führte.