Der Waldfriedhof
Ein Natur-, Geschichts- und Kulturdenkmal
Von Nikolaus Heiss
Der Bau des Städtischen Hauptfriedhofs, der Waldfriedhof im Westen Darmstadts, wurde zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 begonnen und wegen des Kriegs erst 1922 fertiggestellt. Die Pläne zu der weitläufigen, hufeisenförmigen Anlage schuf der Stadtbaumeister August Buxbaum, seit 1906 Leiter des Hochbauamts, seit 1909 Stadtbaurat und von 1918 bis 1930 Bürgermeister und Baudezernent der Stadt. Von ihm stammen unter anderem auch die Liebig- und die Eleonorenschule, das Jugendstilbad und die ausdrucksvolle Häuserzeile mit Sozialwohnungen im Rhön- und Spessartring.

Luftaufnahme Waldfriedhof
Der heutige Friedhof umfasst nur einen Teil der ursprünglich deutlich größeren Planung mitten in einem Kiefernwald. Er war wegen der wachsenden Stadt und der räumlichen Begrenzung des Alten Friedhofs erforderlich geworden. Gleichzeitig entstand mit dem in der Bevölkerung gesteigerten Wunsch nach Feuerbestattungen ein Krematorium in der westlichen Trauerhalle. Urnengräber finden sich im vorderen Bereich des Friedhofs auf der Rückseite des Säulengangs und westlich im Urnenhain hinter der Trauerhalle.
Die Zugangsallee von Süden kommend wird kurz vor Erreichen des großen Empfangshofs von mehreren Verkaufspavillons für Steinmetze und Gärtner flankiert. Zwei überkuppelte Trauerhallen, verbunden durch einen ellipsenförmigen Säulengang, dominieren den Vorplatz. Die mit Versatzstücken vergangener Bauepochen gestaltete Architektur aus Naturstein und grobkörnigen Kratzputz, verleiht dem Eingangsbereich eine würdevolle und monumentale Wirkung, die durch eine reich bepflanzte ovale Brunnenanlage gesteigert wird.
Hinter der Eingangsarchitektur erstreckt sich der Wald beidseitig einer Mittelachse. Ein rund zwei Kilometer langer Rundweg und viele Querwege gliedern die Friedhofsfläche auf vielfältige Weise. Die Gräber sind anders als im Alten Friedhof nicht durch Steinrahmungen und Zäune gefasst, sondern locker mittels Pflanzungen eingebettet. Damit bleibt der naturnahe waldartige Charakter erhalten.
Eines der wichtigsten Gräber ist das als Rondell gestaltete Ehrenmal für die mehr als 11.000 Gefallenen des Zweiten Weltkriegs. Nachdem die vom Bildhauer Fritz Schwarzbeck geschaffene bronzene dreiteilige Figurengruppe „Opfer“ im Jahr 2017 von Metalldieben gestohlen wurde, konnte sie im Einverständnis mit den Nachfahren des Künstlers als Replik in Kunststein 2023 wieder aufgestellt werden. Außerdem sind hier weitere Kriegsgräber für französische und russische Soldaten angelegt, sowie eine Ruhestätte für Fremdarbeiterinnen und Fremdarbeiter während des Zweiten Weltkriegs.

Figurengruppe „Opfer“ von Fritz Schwarzbeck
Verstreut im Friedhof finden sich Grabstätten bedeutender Persönlichkeiten der Darmstädter Geschichte wie die des Architekten August Buxbaum, des Bauhäuslers Alfred Arndt und seiner Frau Gertrud, des Malers Eugen Bracht, des Physikers Erasmus Kittler und der Architekten Albin Müller und Friedrich Pützer.
Der Autor
Nikolaus Heiss war von 1981 bis 2010 Denkmalpfleger der Stadt Darmstadt, ab 2008 zuständig für die Welterbebewerbung der Künstlerkolonie, die nach Zusammenarbeit ab 2014 mit dem Welterbeteam am 24. Juli 2021 zum Erfolg führte.