Wasserturm Darmstadt – Geschichte & Bedeutung
Von Nicolaus Heiss
Mit der Verbreitung der Eisenbahn ab 1835 in Deutschland mussten leistungsfähige Wasserversorgungseinrichtungen geschaffen werden. Die sogenannten Wasserkräne zum schnellen Befüllen der Lokomotiven wurden von Wassertürmen gespeist, die meist ihr Wasser aus nahe angelegten Tiefbrunnen erhielten. Mit dem schnell wachsenden Eisenbahnnetz und der immer höheren Zugfrequenz wuchs der Wasserbedarf um ein Vielfaches. Die Wassertürme wurden immer höher und größer. Sie mussten betriebssicher sein, ausreichend Druck erzeugen und genügend Vorrat haben. Verschiedene Techniken wurden entwickelt. Anfangs aus Eisen, später auch aus Beton gab es Flachboden-, Hängeboden-, Stützboden- und Kugelbehälter, geschlossen oder offen.
Der Darmstädter Wasserturm wurde als Teil des Pützer’schen Hauptbahnhofs nach Plänen des Mainzer Baurats Friedrich Mettegang 1910/12 errichtet. Er ist aus Ziegeln gemauert und verputzt. Sein voluminöser, schiefergedeckter Turmhelm dominiert den gesamten Bahnhofsbereich. Die Dachkonstruktion besteht aus einem Holztragwerk das, zusammen mit dem nach oben offenem stählernem Wassertank, die Dachhülle trägt. Der halbkugelförmige Hängebodentank, der Barkhausen-Behälter, benannt nach seinem Konstrukteur, Ingenieur Professor Georg Barkhausen von der TH Hannover. Dieser Wasserbehältertyp wurde bereits 1898 entwickelt und war vor allem nach der Jahrhundertwende weitverbreitet.
Wasserhochbehälter und Stellwerk
Eine weitere herausragende Besonderheit des Turms ist die Kombination von Wasserhochbehälter und Stellwerk in einem Gebäude. Es wurden damals nur vier Türme dieser Art in Deutschland gebaut. Der Darmstädter ist das letzte erhaltene Exemplar und damit ein im Wortsinne herausragendes Kulturdenkmal des Technikensembles Hauptbahnhof.
Erhaltung des Turms
Von 1949 bis 1993 wurde die Eisenbahn in Deutschland sukzessive elektrifiziert, ab 1957 in Darmstadt. So verloren die Wassertürme ihre Existenzberechtigung und wurden abgebrochen. Der Darmstädter Turm jedoch blieb stehen, weil sein Stellwerk noch in Betrieb war. Nachdem 1978 auch das Stellwerk ausgelagert war, hatte die Deutsche Bundesbahn keine Verwendung mehr für den Wasserturm am Hauptbahnhof und plante seinen Abriss. In der Darmstädter Bürgerschaft regte sich Widerstand. Der Denkmalbeirat setzte sich vehement für seine Erhaltung ein und das Landesamt für Denkmalpflege stellte den Turm am 8. August 1978 unter Denkmalschutz wegen seiner städtebaulichen und technischen Bedeutung. Damit war das Kulturdenkmal zwar vor dem Abbruch gerettet, aber seine Zukunft ungewiss. Nach einem langjährigen Prozess zwischen Bahn und Land, gab das Verwaltungsgericht dem Landesamt Recht und die Bahn suchte einen Interessenten.
Atelier und Veranstaltungen
Am 1.4.1985 kaufte der Architekt, Musiker und Komponist „OBO“ Albrecht Pfohl den Turm. Seinem Engagement über viele Jahre ist es zu verdanken, dass der Turm eine neue, sinnvolle Nutzung als Atelier und Veranstaltungsstätte bekam. Er investierte viel Geld und Kraft in die Erhaltung und Unterhaltung des Turms. Der Turm als ein Wahrzeichen Darmstadts ist jetzt dauerhaft gesichert.