Glockenspiel im Darmstädter Schloss

Das Darmstädter Glockenspiel war das erste in einer deutschen Residenz und ist gleichzeitig eines der ältesten Deutschlands.

Wir verdanken es dem Wunsch und der Reisefreudigkeit des Landgrafen Ludwig VI., der auf einer Reise in die Niederlande 1669 das Maastrichter Glockenspiel besichtigte und, wohl dadurch inspiriert, holländische Fachleute mit dem Bau des Darmstädter Glockenspiels beauftragte.

Berater war der Amsterdamer Glockenspieler Salomon Verbeck, der Guss der ersten 28 Glocken erfolgte durch Pieter Hemony, ebenfalls aus Amsterdam, und das Uhrwerk fertigte der Uhrwerkemacher Peter van Call aus Nimwegen. Bereits Ende 1671 wurden die Glocken zum ersten mal im Turm des 1664 von J. W. Pfannmüller errichteten „Hohen Baus“ gespielt. Alle übrigen Darmstädter Uhren, wie etwa die vom Rathaus oder der Stadtkirche, hatten sich nach einer landgräflichen Verfügung ab diesem Zeitpunkt nach dem Glockenspiel zu richten.

So erklangen mehr als 270 Jahre lang jede halbe Stunde verschiedene geistliche Lieder, gesteuert über eine im Uhrwerk integrierte Spielwalze und zu besonderen Anlässen gespielt von einem Carilloneur über eine Klaviatur. Lediglich zwischen 1693 und 1698 verstummten die Glocken, weil sie wegen eines drohenden Krieges mit den Franzosen für fünf Jahre ausgelagert waren.

Während des Zweiten Weltkriegs, beim ersten gezielten Luftangriff auf Darmstadt 1943, fiel das Gebäude zusammen mit dem Glockenspiel den Bomben zum Opfer. Geborgen wurden die Überreste des historischen Uhrwerks mit der zehn Zentner schweren Spielwalze. 1992 restaurierte die Ausbildungswerkstatt der Darmstädter Firma Carl Schenk AG das Uhrwerk, das heute wieder grunderneuert im Bärenzwinger des Schlosses steht. Wegen des Verlustes gründete sich 1949 eine Bürger-initiative, der es gelang bis 1951 genügend Geld zu sammeln, um ein neues, technisch moderneres Glockenspiel mit 21 Glocken in der Turmlaterne des rekonstruierten Gebäudes zu errichten. Zur vollen Stunde ertönte ein geistliches und zur halben Stunde ein weltliches Lied als Zeichen der Hoffnung für den Wiederaufbau. In den folgenden 30 Jahren wurden immer wieder Ergänzungen (1960 sechs und 1981 drei Glocken) und technische Neuerungen durchgeführt, bis 1982 durch Studierende der Technischen Hochschule Darmstadt für die inzwischen 30 Glocken eine Computersteuerung eingerichtet wurde.

Eine erneute Sanierung im Jahre 2010 – nicht nur der Glocken durch die Technische Universität Darmstadt, sondern auch der Haube des Glockenturms, und vor allem der Anschlagstechnik – ermöglichte es, die seit 1951 bestehenden 102 Lieder abgestufter zu spielen. Die Glocken konnten nun mit verschiedenen Stärken angeschlagen werden, wodurch die Musikstücke verfeinert wiedergegeben werden können.