Sympathisches Debut jenseits des Center Courts

Lesenswert: „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ – der literarische Aufschlag der Darmstädter Weltklasse-Tennisspielerin Andrea Petković

Dass sie irgendwie anders ist, als die anderen ihrer Zunft, ist bekannt. Da ist der auf Youtube tausendfach geklickte „Petko-Dance“ nach erfolgreichen Tennis-Matches, den sie allerdings vor gut zehn Jahren schon sein ließ, auch, nachdem sich Konkurrentin Maria Scharapowa abwertend zum „Getanze“ geäußert hatte. Wir wissen nicht, wie es Tennis-Schönheit Scharapowa nach ihrem Rücktritt vom Profi-Tennis im Februar 2020 mit dem Lesen hält. Auch ihr jedenfalls sei Andrea Petkovićs Erzählband sehr ans Herz gelegt: Es ist das literarische Debut der Darmstädter Weltklasse-Tennisspielerin, das in diesem Bücherherbst für jede Menge Aufsehen sorgte – und das mit Recht.

Auf 265 Seiten erzählt Petković aus ihrem Leben: 1987 im bosnischen Tuzla geboren, mit sechs Monaten nach Deutschland gekommen, in Griesheim aufgewachsen, in Darmstadt großgeworden – und das in vielerlei Hinsicht: Der Vater Tennislehrer beim Darmstädter Renommierclub TEC, Tochter Andrea verbringt dort den Großteil ihrer Kindheit und Jugend. Darmstädter erkennen wieder, wenn sie von der Georg-Büchner-Schule erzählt, gelegen in unmittelbarer Nähe zu ihrem Club, wenn sie Straßenbahnfahrten von Griesheim aus hinein in die Darmstädter Innenstadt schildert und von sommerlichen Einkäufen an der Tankstelle in der Nähe ihres Tennisplatzes.

Da ist ihr Ehrgeiz, dazugehören zu wollen, die Schilderung der Reihenhaussiedlung in Griesheim. Und während irgendwo in der Nachbarschaft schief ein Klavier klimpert, greift Andrea Petković zum Tennisschläger oder trainiert sich das rollende „R“ aus dem Sprachschatz. Dazugehören wollen, dabei zu sein. Petković hat es geschafft. Und mehr als das. Das zeigen ihre Erzählungen aus der Tenniswelt, getragen immer von ihrer Familie, die ihr Fels ist und ihr Hafen in diesem Zirkus, aus dem die kluge, großgewachsene Intellektuelle aus Darmstadt so hervorsticht.

Ihr Jahreslauf beginnt stets im australischen Melbourne, geht einmal um die ganze Welt – und immer wieder nach New York, ihre Lieblingsstadt. Dazwischen Hochs und Tiefs, Ups und Downs: Erfolge und Siege, Niederlagen, Verletzungen, die zurückwerfen und verzweifeln lassen, Selbstzweifel, Heulkrämpfe in der Einsamkeit irgendwelcher steriler Hotelzimmer. Andrea Petković beschreibt ihr Leben, ohne mit dem Anspruch einer Biographie überzeugen zu wollen. Der Buchtitel mag äußerst pathetisch klingen – aber er umschreibt sehr treffend, woran Petković in ihrem Debut teilhaben lässt.

Heute, mit 33 Jahren, mag ihre so erfolgreiche und beachtliche Tenniskarriere zu Ende gehen. Ein Jahr noch, vielleicht zwei. Doch von ihr wird weiter zu hören sein, zu sehen und hoffentlich auch zu lesen. Sie moderiert die ZDF-Sportreportage und diskutiert mit Leidenschaft im „Literarischen Quartett“ mit Schauspieler Ulrich Matthes, der umstrittenen österreichischen Kabarettistin und Autorin Lisa Eckardt und Gastgeberin Thea Dorn über den neuen Essayband von Michel Houellebecq, einem der wohl größten Provokateure der Gegenwart. Kein Problem für die Darmstädterin und schwer vorstellbar, dass es irgendjemanden sonst aus der Welt des Sports gibt, der da mithalten kann.
Ihr Debut jedenfalls muss sich nicht verstecken. Ein starker Aufschlag, vielleicht nicht die ganz große Literatur, aber Erzählungen aus dem Leben einer jungen Frau, die tatsächlich was zu sagen hat. Das als Fazit am Ende der kurzweiligen Lektüre über eine Buchpremiere sagen zu können, ist tatsächlich angebracht und nicht zu viel der Ehre: „Advantage, Petković!“ sar

Andrea Petković: „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“ | Verlag Kiepenheuer & Witsch | ISBN: 9783462054057 | 272 Seiten | Hardcover | 20 Euro