Der Flötenspieler am Woogsplatz
Kunst am Bau
Ein Beitrag von Renate Charlotte Hoffmann und Nikolaus Heiss
Der Bauverein für Arbeiterwohnungen (heute Bauverein AG) ließ nach Plänen der Architekten Kurt und Klaus Langer ein Mietwohngebäude im sozialen Wohnungsbau 1952 errichten. Der mit einem Satteldach gedeckte, 41 Meter lange Wohnblock ist in drei zweispännige jeweils drei Geschoss hohe Baukörper gegliedert, die, der Topographie folgend, leicht höhenversetzt angeordnet sind.

Luftaufnahme aus dem Jahr 2019
Die im Grundschema sehr schlichte Bauzeile mit 18 Wohnungen erhält durch eine differenzierte Gestaltung der Südseite mit loggiaartigen Rücksprüngen und vor allem durch die herausgedrehten, asymmetrisch der Abendsonne zugewandten Balkone eine spielerische Lebendigkeit, die den Geist der Nachkriegsbauweise mit dem Drang nach Licht, Luft und Sonne in besonderer Weise widerspiegelt. Auch die vertikale Lamellenstruktur der Balkonbrüstungen ist ein typisches Gestaltungselement der 1950er Jahre.
Eine besondere Qualität erhält das Bauwerk durch das die östliche Stirnseite schmückende Kunstwerk von Helmut Lander, das im Rahmen der „Kunst-am-Bau-Regelung“ entstanden ist. Danach musste bei öffentlichen Bauten ein Prozent der Baukosten für künstlerische Ausstattung aufgewendet werden, um das Stadtbild mit der oft sehr schlichten Architektur zu verbessern und um der Kunst die Unabhängigkeit und Freiheit wiederzugeben, die sie unter der Naziherrschaft verloren hatte. Auch Wohnungsbaugesellschaften beauftragten Darmstädter Künstler. So entstanden in den 1950er Jahren weit mehr als hundert Kunstwerke im öffentlichen Raum.
Wandmosaik „Flötenspieler“ am Woogsplatz
Der Darmstädter Bildhauer Helmut Lander (1924-2013) entwarf 1952 für den Bauverein für Arbeiterwohnungen eine Wandgestaltung, den „Flötenspieler“, die bis heute die Nordwand des Wohn- und Atelierhauses schmückt, in dem der Bildhauer mehrere Jahre selbst lebte und arbeitete.
Die zentrale Figur dieses Kunstwerks ist ein in lässiger Haltung halbliegender Flötenspieler, der auf zwei Instrumenten gleichzeitig zu musizieren scheint. Seine Hose in erdfarbenem Ocker, die Weste in diaphanem Blau, vereinen das Irdische mit der Farbe des Himmels an einem heiteren Sommertag. Rechts oben lassen sich zwei Vögel, im auf- und absteigenden Flug miteinander spielend, beobachten. Auch auf einer der beiden Flöten hat sich ein Vögelchen niedergelassen und lauscht den munteren Tönen. Dieses Motiv betont den Moment des Spielerischen. Überhaupt scheint der Körper des Musikanten überaus biegsam zu sein – nur der gespreizte Zeh seines rechten Fußes verrät die kreative Anspannung – was der ganzen Szene eine wunderbare „Leichtigkeit des Seins“ verleiht.
Der weiße Putz der Wandfläche ist in Art eines Sgraffitos, im Wechselspiel mit dunklerem Grau, stellenweise vertieft, in das Kunstwerk integriert. Sparsam verteilte rot leuchtende Glassteinchen korrespondieren mit dem Rot der Vögel rechts und der Sonnensichel links oben. Die Oberflächen der farbigen Mosaikstücke mit ihren gut sichtbaren Lufteinschlüssen und Schlieren sind teils glatt und glänzend, teils rau und matt. Die unregelmäßig großen farbigen Glasscherben und einige ungeschliffene blaue Glasbrocken sind grob auf den Putz gemörtelt. Sie stehen mehr oder weniger deutlich hervor und bilden eine lebendige Oberfläche. Im Zusammenspiel mit dem einfallenden Licht erzeugen sie ein stellenweises Schillern und Funkeln und beleben damit das flach in der Wand befindliche Kunstwerk.
Das Ineinanderwirken von Kunstwerk und Hauswand verleiht den Figuren eine lebendige Struktur, die reduzierte Formensprache als Stilmittel der Moderne geht einher mit dem positiven Lebensgefühl der in den 1960er Jahren vielfach realisierten „Kunst am Bau“.







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