Christoph Zimmermann: Denker und Lenker

Verteidiger ist eine feste Größe – Verletzungen werfen ihn jedoch oft zurück

Von Stephan Köhnlein

Foto: Jan Hübner

Im Alter von 30 Jahren hat sich Christoph Zimmermann seinen Traum von der Bundesliga erfüllt. Der Weg dorthin war keinesfalls geradlinig, führte über die Zweitvertretungen zweier Bundesliga-Teams und einen Verein in Ostengland, mit dem er zweimal in die Premier League aufstieg. In Darmstadt setzt er nun alles daran, dass sich das Schicksal nicht wiederholt und am Ende der Erstliga-Saison wieder der Abstieg steht.

Christoph Zimmermann spricht ruhig und reflektiert, meist ernst und immer freundlich. Gerade nach den Spielen, wenn bei manchem Mannschaftskollegen oder Offiziellen die Emotionen bisweilen etwas hochschwappen, ist der 30 Jahre alte Abwehrspieler ein Ruhepol und die Quelle für sachliche Analysen der vorangegangenen gut 90 Minuten. Und so, wie er spricht, spielt er auch: fokussiert, intelligent, mit Auge und gutem Stellungsspiel, mit dem er auch leichte Geschwindigkeitsdefizite ausgleichen kann.

Der Trainer schwärmte gleich

Im Sommer 2022 kam Zimmermann vom englischen Zweitligisten Norwich City zum SV Darmstadt 98. Er habe noch nie mit einem Spieler „ein so tolles erstes Gespräch“ geführt, schwärmte Trainer Torsten Lieberknecht damals. Auch als Ausdruck der Wertschätzung erhielt der Neue gleich die Rückennummer vier, die vor ihm der langjährige Kapitän Aytac Sulu getragen hatte. Tatsächlich wurde Zimmermann schnell zur festen Größe, hatte maßgeblichen Anteil daran, dass die Lilien mit der besten Defensive im deutschen Profifußball nach der vergangenen Saison in die Bundesliga aufstiegen.

Dass der SV Darmstadt 98 nach rund einem Drittel der Saison nun die Schießbude der Bundesliga ist, kann man in gewissen Punkten auch an Zimmermann festmachen – genauer gesagt an dessen Fehlen. Der verpasste nämlich einen großen Teil der Saison wegen Rückenproblemen. Sein Comeback gab er dann allerdings ausgerechnet beim 0:8 gegen Bayern München, bei dem ihm die lange Zwangspause anzumerken war. Mit sich selbst ging er danach sehr hart ins Gericht, sprach von Anfängerfehlern, die ihm nicht unterlaufen dürften.

Was sich der Trainer noch wünscht

Zimmermann ist keiner, der die Fehler bei anderen sucht – doch selbst seinem Trainer ist er manchmal etwas zu selbstkritisch. „Christoph weiß um meine Rückendeckung”, sagte Lieberknecht, als er auf die Selbstkritik seines Führungsspielers angesprochen wurde. „Er ist mir teilweise zu reflektiert, zu hart mit sich. Er soll auch Spaß empfinden am Fußballspiel.”

Zimmermann hat das nach eigener Aussage schon öfter gehört. „Ich glaube das wirkt so, weil ich sehr fokussiert arbeite, eine gewisse Anspannung brauche, ich nenne es Professionalität“, sagte er dem „kicker Sportmagazin“ kürzlich in einem Interview. „Das mag manchmal aussehen wie eine zu intensive Ernsthaftigkeit. Ich glaube aber, so besser zu funktionieren als mit zu viel Lockerheit“, erklärte er und fügte an: „Ich denke, dass in den verbleibenden Jahren, die ich spielen darf, aber immer mal öfter ein Lächeln zu sehen sein wird.“

Den Spaß am Fußballspiel schmälern bei Zimmermann immer wieder gesundheitliche Probleme. In Norwich kosteten ihn mehrere langwierige Verletzungen das Kapitänsamt und den Stammplatz. Auch in Darmstadt fiel er in der laufenden Saison immer wieder aus: Kaum hatte er sich nach seinen Rückenproblemen wieder im Team festgespielt, zog er sich beim Auswärtsspiel in Freiburg in einem unglücklichen Zweikampf eine tiefe Riss- und Fleischwunde am Sprunggelenk zu.

Foto: Jan Hübner

Blick über den Tellerrand hinaus

Dass Zimmermann über Umwege überhaupt noch Bundesliga-Spieler wurde, macht ihn trotzdem stolz. Bei Mönchengladbach und Dortmund hatte es nur für die Zweitvertretungen gelangt. Mit Norwich spielte er zwar zwei Spielzeiten in der Premier League, doch den Weg in die höchste deutsche Spielklasse fand er nur über den Wechsel zum damaligen Zweitligisten Darmstadt, mit dem er dann aufstieg. „Für jeden Jungen, der in Deutschland Fußball spielt, ist es ein Traum, in der Bundesliga spielen zu dürfen“, hatte er – für seine Verhältnisse fast schon euphorisch – nach dem Aufstieg mit den Lilien im Sommer gesagt.

Zimmermann ist jedoch keineswegs nur auf den Fußball fokussiert. Weil sein Weg zum Erstliga-Profi keineswegs geradlinig verlief, hatte er vor einigen Jahren ein Lehramtsstudium begonnen. Auch sonst blickt der Vater von zwei kleinen Söhnen über den Tellerrand hinaus. In Norwich engagierte er sich etwa in der Gemeinde und hielt eine Vorlesung an der University of East Anglia – zwei Dinge, die ihm bei den Menschen dort viel Wertschätzung auch außerhalb des Platzes einbrachten.

Zur Person

Foto: Jan Hübner

Christoph Zimmermann kam am 12. Januar 1993 in Düsseldorf zur Welt. In der Jugend spielte er für den SC Düsseldorf-West, wechselte dann mit 13 Jahren in die Nachwuchsabteilung der Borussia Mönchengladbach. Zum Ende der Spielzeit 2011/12 gab er am 32. Spieltag sein Debüt in der Regionalliga West für die zweite Mannschaft. Zur Saison 2014/15 wechselte er zum Drittligisten Borussia Dortmund II unter Trainer David Wagner. Doch die BVB-Reserve stieg am Saisonende ab. Unter Trainer Daniel Farke war er dann ab der Folgesaison Stammspieler und zeitweise Kapitän. Im Juni 2017 folgte Zimmermann seinem Coach zum Zweitligisten Norwich City nach England. Dort wurde er schnell Stammspieler, später Kapitän und stieg mit dem Team in die Premier League auf. 2019 debütierte er dort bei der 2:0-Auswärtsniederlage gegen West Ham United als Kapitän. Dabei zog er sich bei einem Foul eine Knöchelverletzung zu, die ihn in den nächsten Jahren immer wieder außer Gefecht setzte. Weitere Verletzungen sorgten dafür, dass er seinen Stammplatz verlor. Zu Beginn der Saison 2022/23 wechselte er zum SV Darmstadt 98. Sein Vertrag läuft bis Juni 2025.