Die ehemalige Cambrai-Fritsch-Kaserne
Eine denkmalgeschützte Anlage wird als „Ludwigshöhviertel“ zu einem neuen Wohngebiet Darmstadts
von Nicolaus Heiss

Luftaufnahme 8/2012, Foto: Nicolaus Heiss
Warum stehen Teile einer Kaserne als Gesamtanlage unter Denkmalschutz? Die Antwort gibt Falko Lehmann, ehemaliger Denkmalpfleger beim Landesamt für Denkmalpflege: „Die Bedeutung der ehemaligen Freiherr-von-Fritsch- und ehemaligen Cambrai-Kaserne erwächst vor ihrem geschichtlichen Hintergrund für die deutsche Geschichte und Stadtgeschichte von Darmstadt.“ Die Bauten markieren für die Stadt den Beginn der Wiederbewaffnung und Aufrüstung für den von Hitler geplanten Zweiten Weltkrieg, aber ebenso auch die Befreiung durch die US-Armee am 25. März 1945. Bis zum Abzug 2008 nutzte sie die „Cambrai-Fritsch-Kaserne“. Damit symbolisiert sie auch den Neuanfang im zerstörten Darmstadt auf dem Weg zur bundesrepublikanischen Demokratie und der engen Anbindung Deutschlands an das westliche Werte- und Bündnissystem. Hinzu kommt die künstlerische Qualität der funktionalen, strengen Bauten, die auch in der räumlichen Anordnung spürbar ist.
Mit der am 16. März 1935 verkündeten Wiederbewaffnung setzte im Deutschen Reich eine rege Neubautätigkeit für Kasernen ein. Auch in der damaligen Landeshauptstadt Darmstadt entstanden mehrere neue Militäranlagen. Am Südende der Ludwigshöhstraße wurde eine ausgedehnte Kasernenanlage für die Artillerie durch das Heeresbauamt Darmstadt unter Regierungsbaumeister Schwager errichtet. Bei der Planung wirkte der aus Frankfurt stammende Gustav Friedrich Scheinpflug (1894-1984) mit. Die Einweihung des aus zwei Kasernen bestehenden Komplexes fand im Oktober 1938 statt. Die nördliche Kaserne wurden nach dem kurz zuvor abgesetzten Oberkommandeur des Heeres, Werner Freiherr von Fritsch, und die südliche nach der französischen Stadt Cambrai, dem Schauplatz einer Tankschlacht des Ersten Weltkriegs, benannt.
Die denkmalgeschützte Gesamtanlage umfasst das zentrale Geviert des öffentlichen Platzes, von dem aus die Anlagen erschlossen wurden. Es wird von den Wirtschaftsgebäuden der beiden Kasernen im Norden und Süden, den beiden Stabsgebäuden im Westen und Osten sowie den ehemaligen Zugängen der Kasernen mit begleitenden Mauern im Nordosten und Südwesten mit dahinterliegenden Erschließungsplätzen gebildet. Besonders bemerkenswert ist die aufwendigere Gestaltung des Stabsgebäudes der ehemaligen Cambrai-Kaserne an der Westseite des Platzes, dessen repräsentativer Zugang von dieser Seite her erfolgt und das durch einen aufgesetzten Dachreiter mit Uhr und Pyramidendach der Anlage ein eigenständiges Gepräge gibt. Zudem zeigen die geschwungenen Treppenwangen im Innern eine schlichte funktionale Form, die sich trotz der nur geringen Einflussmöglichkeiten der zum Kasernenbau zugezogenen Privatarchitekten, vermutlich auf den gelernten Tischler und studierten Innenarchitekten Gustav Scheinpflug zurückführen lässt. Diesem lassen sich auch die reichen Fensterrahmungen und Portale an allen Gebäuden zuweisen. Zudem sind die Mauern und Torhäuser der Doppelkaserne an der Ludwigshöhstraße Teil des Denkmals.
Auf dem Areal sollen künftig nach Angaben des Bauvereins 1.400 Wohnungen für rund 3.100 Menschen in einem modernen, großzügig begrünten und verkehrsberuhigten Wohngebiet entstehen, dessen Zentrum von den denkmalgeschützten Kasernenbauten geprägt wird, die neben Wohnungen vor allem soziale Infrastruktureinrichtungen, Büros, Gastronomie und Einzelhandel enthalten können. Die ersten Bewohner des künftigen Ludwigshöhviertels können vermutlich Ende dieses Jahres schon einziehen. Mehr gibt es auf der Seite www.ludwigshoehviertel.de.