
von Nikolaus Heiss
Am 24. Juli 2021 beschloss die UNESCO-Kommission nach eingehender Diskussion auf ihrer 44. Sitzung in Fuzhou/China, dem Antrag der Stadt Darmstadt auf Eintragung der Mathildenhöhe Darmstadt in die Welterbeliste stattzugeben.

Damit ist der engere Bereich mit Hochzeitsturm, Ausstellungsgebäude, Ernst-Ludwig-Haus, den Künstlerhäusern, den Gärten mit dem Platanenhain und vielen Kunstwerken eine Welterbestätte, der ein außergewöhnlicher universeller Wert beigemessen wird. Dieser Wert bezeichnet nach den Statuten der UNESCO eine kulturelle Bedeutung, die so außergewöhnlich ist, dass sie die nationalen Grenzen durchdringt und sowohl für gegenwärtige als auch künftige Generationen der gesamten Menschheit von Bedeutung ist. Zwei von der Stadt ausgewählte Kriterien wurden bei der Bewertung akzeptiert. Zum einen zeigt die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe für den Zeitraum von 1901 bis 1914 einen bedeutenden Schnittpunkt in der Entwicklung der Baukunst auf – es wurden hier maßgebliche Leitgedanken der späteren klassischen Moderne in die Architektur eingeführt. Zum anderen entstand auf der Mathildenhöhe ein hervorragender Typus eines architektonischen Ensembles bestehend aus Gebäuden, gestalteten Gärten mit Skulpturen, Innenarchitektur und Design.
oben: Haus Olbrich 1901; Pergola/Ausstellungsgebäude (1908); Dreihäusergruppe (1904);
unten: Ernst Ludwig Haus (1901); Haus Deiters (1901); Großes Haus Glückert (1901)
Wie kam es dazu, dass die Stadt Darmstadt mit der Bewerbung auf die Welterbeliste ein absolut ambitioniertes Projekt begann und letztendlich zum Erfolg führte? Bereits vor rund 20 Jahren kam der Gedanke auf, die Künstlerkolonie Mathildenhöhe als Welterbestätte anzumelden. Während des Forums Mathildenhöhe 2006 wurde die Idee weitergeführt und 2008 hat die Stadtverordnetenversammlung der Wissenschaftsstadt Darmstadt wegen der einzigartigen geistes- und kulturgeschichtlichen Bedeutung der Künstlerkolonie die Prüfung einer möglichen Anmeldung zum UNESCO Weltkulturerbe beschlossen. Beauftragt wurde die Denkmalpflege, die eine vierköpfige Arbeitsgruppe aus Mitgliedern des Denkmalbeirates zusammenstellte und in enger Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landesamt für Denkmalpflege die erforderlichen wissenschaftlichen Vorarbeiten durchführte. Das positive Ergebnis der Prüfung wurde durch ein externes kunsthistorisches Gutachten unterfüttert, das der Künstlerkolonie einen herausragenden und universellen kulturellen Wert bescheinigte. Damit konnte 2012 der Antrag zur Aufnahme in die Deutsche Tentativliste für Welterbestätten gestellt werden. Die Kultusministerkonferenz entschied 2014, dass die Mathildenhöhe zusammen mit sechs weiteren Deutschen Stätten in den folgenden Jahren einen Antrag bei der UNESCO zur Aufnahme in die Welterbeliste stellen dürfe.

In den nun folgenden fünf Jahren hat die Wissenschaftsstadt Stadt Darmstadt zusammen mit dem Landesamt für Denkmalpflege, unterstützt durch ein Advisory Board mit namhaften Wissenschaftlern, den Aufnahmeantrag, in der Hauptsache bestehend aus Nominierungsdossier und Managementplan, erarbeitet. Der Antrag wurde durch eine von der ICOMOS beauftrage Kunsthistorikerin aus Russland 2019 evaluiert und in den wesentlichen Teilen für gut befunden. Dieses Gutachten, das dem Bereich der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe weltweite Einzigartigkeit und herausragende Bedeutung für die Entwicklung der Architektur bestätigte, lag der UNESCO-Kommission zur Entscheidungsfindung vor.
Ein wichtiger Aspekt der positiven Bewertung durch die UNESCO liegt auch in der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung, der darin zum Ausdruck kam, dass im Laufe der letzten Jahre viele Bürgerinnen und Bürger, Firmen und Institutionen mit hohen Fördermitteln die Restaurierungen von Kunstwerken vor allem im Platanenhain, aber auch den Neubau eines Besucherzentrums unterstützten. Die Stadt selbst investiert viel Geld in die Sanierung der wichtigsten Gebäude, wie dem Ausstellungsgebäude, dem Haus Deiters, dem Haus Olbrich und dem Großen Haus Glückert, sowie in die Restaurierung der Außenanlagen wie dem Albin Müller Becken.

Mit der Anerkennung als Welterbestätte wird das Werk des letzten Hessischen Großherzogs Ernst Ludwig gewürdigt, der 1899 eine Künstlerkolonie gründete, der im Laufe ihres 16-jährigen Bestehens 23 Künstler angehörten. Sie entwickelte sich unter dem Wiener Sezessionisten Joseph Maria Olbrich zu einem innovativen und experimentellen Zentrum auf allen Gebieten freier und angewandter Kunst. Weitere herausragende Künstler waren Peter Behrens, Hans Christiansen, Albin Müller und Bernhard Hoetger. Von hier aus gab es durch die programmatische Auseinandersetzung mit den Themen Wohnen und Arbeiten entscheidende Impulse für die Entwicklung der Architektur des frühen 20. Jahrhunderts. Vom Haus bis zum Garten, vom Mobiliar bis zum Geschirr inszenierten die Künstler begehbare Lebenswelten als ästhetische Gesamtkunstwerke. Im Zuge von vier Ausstellungen zwischen 1901 und 1914 entstand auf der Mathildenhöhe eine Reihe zukunftsweisender Bauten und Skulpturen, eingebettet in eine Parkanlage mit Brunnen und Gartenpavillons. Es gilt als bedeutendes Ensemble künstlerischen experimentellen Schaffens im Geist der internationalen Reformbewegung am Beginn des 20. Jahrhunderts.
Welterbe-Shuttle Mathildenhöhe Darmstadt
Der kostenlose Welterbe-Shuttle Mathildenhöhe verkehrt ab dem 1. August täglich zwischen der Innenstadt und der Mathildenhöhe. Zwischen 11.16 Uhr und 16.46 Uhr fährt der Elektrobus der HEAG mobiBus alle 30 Minuten an der Haltestelle Kongresszentrum/darmstadtium ab. Auf dem Weg hält er am Jugendstilbad und am Ostbahnhof.
Zurück geht es ebenfalls alle 30 Minuten zwischen 11.32 Uhr und 17.02 Uhr ab der Haltestelle Olbrichweg (Museum Künstlerkolonie), ebenfalls mit Stopps am Ostbahnhof und am Jugendstilbad und Ende an der Haltestelle Schloss. Der Fahrplan des Welterbe-Shuttle Mathildenhöhe kann auf www.darmstadt-tourismus.de/mathildenhoehe aufgerufen werden.
Grundsätzlich empfiehlt die Stadt für die Anreise zur Mathildenhöhe Bus und Bahn zu nutzen. Vom Darmstädter Hauptbahnhof aus gibt es mit der Buslinie F und FU Richtung Oberwaldhaus (Haltestelle auf der Westseite des Hauptbahnhofs, rückwärtiger Ausgang) eine direkte Verbindung bis Haltestelle „Mathildenhöhe“. Von hier sind es nur noch etwa 200 Meter bis zum Welterbe. Darüber hinaus verbindet die Buslinie FU auch das Welterbe Mathildenhöhe Darmstadt mit dem Welterbe Grube Messel.
Mit den Zuglinien RE80, RB81 und RB82 der Odenwaldbahn ist auch die Anreise aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg, dem Odenwald und dem Rhein-Main-Gebiet bis zur Station „Ostbahnhof“ möglich. Die Bushaltestellen am Ostbahnhof werden auf dem Weg vom Landkreis Darmstadt-Dieburg in die Stadt Darmstadt und stadtauswärts auch von zahlreichen Buslinien (GB, MO1, NHX, RH, X71, X74, X78, 671, 672, 673 und 674) bedient. Vom Ostbahnhof sind es zirka 550 Meter zu Fuß auf die Mathildenhöhe, am Ostbahnhof hält aber auch der Welterbe-Shuttle.
Für die Nutzung der regulären Bus- und Bahnverbindungen wird ein gültiger RMV-Fahrtausweis benötigt. Aktuelle Informationen zu den Bus- und Bahnverbindungen auf www.heagmobilo.de und www.dadina.de.
Im Stadtgebiet Darmstadt kann für eine Fahrt zur Mathildenhöhe auch der HeinerLiner genutzt werden. Der HeinerLiner ist ein On-Demand-Shuttle für Darmstadt und ein neues, flexibles Verkehrsangebot, das eine attraktive Ergänzung zu dem klassischen ÖPNV mit Bussen und Bahnen darstellt. Die Sammel-Fahrzeuge sind ausschließlich mit Elektromotoren unterwegs und können über die App „HeinerLiner“ gebucht werden.
Die Besuchenden, die mit dem Auto anreisen, werden gebeten die Parkmöglichkeiten in der Innenstadt zu nutzen. Im Parkhaus darmstadtium, an der Alexanderstraße (Einfahrt gegenüber Hausnummer 2) und im Parkhaus Schlossgarage/Karolinenplatz sind ausreichend Parkmöglichkeiten vorhanden. Die Haltestelle des Welterbe-Shuttle Mathildenhöhe liegt direkt gegenüber des darmstadtiums an der Schlossmauer. Ebenso bestehen Parkmöglichkeiten am Jugendstilbad (Mercksplatz 1), wo ebenfalls der Welterbe-Shuttle hält.
