
Von Nicolaus Heiss
Der wohl älteste Tunnel wurde vermutlich im 14. Jahrhundert im Zusammenhang mit der äußeren Stadtmauer errichtet. Es gibt Hinweise in der Literatur ohne genauere Angaben. Ein Teilstück wurde beim Bau der Tiefgarage des Fraunhofer-Instituts 1995 im Bereich des ehemaligen Gefängnisses gefunden. Bei einer Länge von etwa 60 Metern und einer Breite von etwa einem Meter war er 1,15 Meter hoch und an beiden Enden verschüttet.

Ein zweiter Abschnitt von ähnlicher Größe in gleicher Lage zur Stadtmauer wurde im Oktober 2004 in der Baugrube des Darmstadtiums bei archäologischen Grabungen festgestellt. Während die Mauer und der Turm aus dem 14. bis 15. Jahrhundert stammen, wird der Tunnel als Horchtunnel zur Verteidigung aus dem 16. Jahrhundert interpretiert.
Unterhalb der Alexander- und Dieburger Straße verläuft in etwa 6 bis 10 Meter Tiefe ein Tunnel, der ursprünglich vom Schloss bis zum Heiligen Kreuzberg (heute ist dort die Tanzschule Bäulke) verlaufen sein soll. Bekannt sind ein in den Felsen (Granodiorit) geschlagener Abschnitt zwischen der Stiftstraße bis zur Odenwaldbrücke mit einer Länge von rund 500 Meter und ein kurzes Stück von etwa 20 Meter östlich der Odenwaldbrücke. Die jeweiligen Enden sind entweder zugemauert oder verschüttet. Der Tunnel hat eine Breite zwischen 0,80 Meter und 1,20 Meter und eine Höhe zwischen 2,50 und 0,60 Meter. Sein Alter und seine ursprüngliche Funktion sind unbekannt. Eine mittelalterliche Entstehungszeit ist nicht auszuschließen. Eine Nutzung als Wasserkanal zur Füllung des Schlossgrabens ist denkbar.


Ab etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts haben Darmstädter Brauereien den Tunnel für ihre Zwecke genutzt: Sie führten ihr Schmelzwasser aus den Eiskellern durch den „Brauertunnel“ ab. In den Zeiten des stürmischen Wachstums Darmstadts im 19. Jahrhundert hatten die Brauereien in der Altstadt nicht mehr genügend Lagerplatz für das Bier, weshalb zwölf Brauereien sich am nördlichen Hang der Mathildenhöhe niederließen und in den Felsen eine große Zahl von Kellergewölben zur Bierlagerung schlugen. Die in etwa sechs bis 12 Meter Tiefe angelegten Keller haben über das ganze Jahr eine gleichmäßige Temperatur von 8 bis 10 Grad Celsius. Die beim Nachgärungsprozess des Bieres erforderlichen kälteren Temperaturen von etwa vier Grad Celsius konnten mit Hilfe des im Großen Woog im Winter geschlagenen Eises, das in „Kühldomen“ gelagert wurde, erreicht werden.
Nach der Erfindung der Kühlmaschine Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Nutzung der Lagerkeller nach und nach aufgegeben. Im Jahr 1933 mietete die Darmstädter SA ein Kellersystem in der Dieburger Straße an und nutzte es als Kerker. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Keller als Luftschutzbunker ausgebaut. Heute stehen die Keller unter Denkmalschutz.
Eine besonders interessante Anlage sind die seit der Mitte der 1970-er Jahre verlassenen Räume einer studentischen Disko, dem ISK (Internationaler Studentenkeller), der etwa fünf Jahre betrieben wurde. In diesem „lost place“ scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, wären nicht alle Möbel verrottet und alle Metallgegenstände verrostet.

