Unkompliziert, komfortabel – eine sinnvolle Ergänzung zum ÖPNV

An einem Mittwochmorgen im April soll der HeinerLiner getestet werden. Das Installieren der HeinerLiner App geht schnell und unkompliziert. Auch die notwendigen Daten sind schnell eingegeben. Ebenso die gewünschte Zahlungsart. Ich habe mich für PayPal entschieden.

Es kann losgehen: „Wann möchtest du fahren?“ „Später“ oder „Jetzt“?
Ich kenne den Unterschied nicht, ab wann ist es „später“ und wie lange ist „jetzt“?

Ich möchte in 30 Minuten losfahren und entscheide mich für „später“. Dann gebe ich meine Strecke ein: Es soll von der Heimstättensiedlung nach Bessungen zur Knabenschule gehen. Die Fahrtzeit wird auf der App auf acht bis 18 Minuten geschätzt – eine recht lange Zeitspanne. Das liegt an dem Ride Pooling System, denn es könnte auf meiner Strecke ja jemand zusteigen – und das würde eben Zeit kosten.

Der Einstiegsort ist um die Ecke – umständlicher für den Fahrer und Fußweg für mich. Es wäre einfacher gewesen, der Fahrer wäre statt um die Ecke geradeaus gefahren – er hätte mich sogar vor der Haustüre abholen können – ohne Umweg. Grund hierfür sind die virtuellen Haltestellen, die etwa 200 bis 300 Meter voneinander entfernt eingerichtet wurden (und vom Regierungspräsidium freigegeben werden mussten). Es wurde wohl auch darauf geachtet, dass Fahrgäste gefahrlos einsteigen können und fließender Verkehr möglichst wenig beeinträchtigt wird.

Acht Minuten vor Ankunft des HeinerLiner erinnert mich die App an die bevorstehende Premiere. Sehr pünktlich kommt der nagelneue Mercedes eVito an der Haltestelle – die über die App einfach zu finden ist – an.

Ein freundlicher Fahrer prüft den Code meiner gebuchten Fahrt. Um 7 Uhr hat die Schicht des Fahrers begonnen, also vor zwei Stunden.

Ich bin sein dritter Fahrgast an diesem Morgen und fahre alleine im Kleinbus, selbstverständlich mit einer medizinischen Maske. Zwischen Fahrgastraum und Cockpit ist eine Plexiglasscheibe angebracht. Neben mir steht ein Kindersitz. Neun Stunden gehe sein Arbeitstag, sagt der nette Chauffeur, eine dreiviertel Stunde Pause hat er.

Früher sei er als Taxifahrer unterwegs gewesen, aber seit Corona laufe das Geschäft nicht mehr, erzählt er. Seit Anfang März sei er beim HeinerLiner dabei und habe schon die Testfahrten mitgemacht. Wie oft denn in dieser Zeit schon mal bei einer Fahrt weitere Fahrgäste zugestiegen seien, möchte ich wissen. „Erst einmal“, erzählt er. Vermutlich ist das auch den besonderen Bedingungen aufgrund von Corona geschuldet.

Gerne nimmt er von mir meinen Tipp für eine günstigere Streckenführung entgegen. Ob es auch möglich sei, mit einem Hund oder Haustier den HeinerLiner zu nutzen, möchte ich wissen. Das ist es, sofern das Tier in einer Transportbox auf dem Schoß mitgeführt wird, erfahre ich.

Nach acht Minuten sind wir da, wie von der App prognostiziert. Die Fahrt hat mich über Paypal 4,70 Euro gekostet. Eindeutig zu teuer, zumindest für den Alltag.

Preiswerter wäre es, wenn man zu zweit fahren würde, dann belaufen sich die Gesamtkosten auf 7,05 Euro, zu dritt auf 9,40 Euro für einen Weg.

Nach meiner Ankunft meldet sich die HeinerLiner App noch einmal, bietet mir an, dem Fahrer Trinkgeld per Paypal zukommen zu lassen – gerne. Und die App möchte dann noch gerne eine Bewertung zur Fahrt haben.

Fazit: Der HeinerLiner kann eine sinnvolle Ergänzung zum ÖPNV-Angebot von HEAG mobilo sein. Für tägliche Fahrten aber ist das Angebot zu teuer.

Doch wenn es mal spät geworden ist, man nicht mehr selbst fahren möchte oder kann – ob mit dem Auto oder dem Fahrrad – ist der HeinerLiner eine Alternative zu ÖPNV oder Taxi. Auch für mobilitätseingeschränkte Personen, die nicht gerne mit Bussen und Bahnen unterwegs sind, ist der HeinerLiner eine gute Möglichkeit der Fortbewegung. Sandra Russo

Info:
Der HeinerLiner ist ein bedarfsabhängiger On-Demand-Shuttle-Kleinbus. Der Service soll als dritte Säule zu Bus und Bahn das ÖPNV-Angebot in Darmstadt ergänzen. Fahrzeugbuchung und Bezahlung laufen über eine kostenlose App. Der HeinerLiner verkehrt in der Darmstädter Innenstadt, ab 1. Juli sollen auch Eberstadt und Wixhausen angefahren werden. Fahrten werden wochentags sowie an Sonn- und Feiertagen von 4 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts und freitags und samstags rund um die Uhr angeboten.Meinung

MEINUNG

Guter Anfang.
Als dritte Säule neben Bus und Bahn soll er sich im öffentlichen Nahverkehr Darmstadts etablieren, der HeinerLiner. Die Idee ist gut – dennoch ist die Nutzung nicht unbedingt günstig und so nur für besondere Fahrten eine Alternative zu Bus- und Bahn. Für täglichen Stecken ist der HeinerLiner schlicht zu teuer.
Aber dafür ist er ja auch nicht gedacht, sondern er soll die Lücke zwischen ÖPNV und Taxi oder eigenem Fahrzeug schließen. Es gibt sicher viele Gelegenheiten, für die der HeinerLiner die bessere Alternative ist: Für den, der mit schicker Kleidung zu einer Veranstaltung möchte. Oder Kinder, die am späteren Abend noch von einer Sporthalle nach Hause möchten und nicht mehr zur Haltestelle laufen wollen. Mobilitätseingeschränkte Menschen, die vollbesetzte Busse und Bahnen scheuen. Oder Menschen, deren Ziel von der (End-)Haltestelle weiter weg gelegen ist, können für den Rest der Strecke bequem mit dem HeinerLiner fahren.
Wer eine Fahrkarte für Bus oder Bahn hat, ob Einzelfahrt oder Jahresticket, der zahlt übrigens nur 1,20 Euro für Fahrten bis zu einem Kilometer mit dem HeinerLiner.
Mit dem HeinerLiner geht der Darmstädter Verkehrsdienstleister HEAG mobilo neue Wege. Diese neuen Wege sollten sich fortsetzen: Das 365-Euro-Jahresticket nach Wiener Modell sollte in die Überlegungen mit einbezogen werden – ebenso, wie wenigstens günstigere Tagestickets im städtischen Bus- und Straßenbahnnetz. Auch preiswerte Kurzstreckentickets für beispielsweise nur zwei Haltestellen – auch über Tarifzonen hinweg – sind eine Überlegung wert. Hier müsste das größere Rad durch den RMV (Rhein-Main-Verkehrsverbund) gedreht werden. Es wird Zeit! Immerhin: Der HeinerLiner ist ein guter Anfang.
Sandra Russo

Alternativen

Der gleiche Weg von der Heimstättensiedlung nach Bessungen Mitte:
• Per Bus ab Haltestelle Am Kaiserschlag, Umstieg in die Straßenbahnlinie 3 bis zur Haltestelle Weinbergstraße etwa 22 Minuten, 2,30 Euro.
• Mit dem E-Roller von „Tier“ oder „Bird“ bei einer Fahrtdauer von geschätzt 15 Minuten kostet der Weg 3,85 Euro, mit einem E-Roller von „Lime“ kommt man auf 4 Euro.
• Mit dem Fahrrad: Etwa 20 Minuten inklusive der Steigung in Bessungen, Kosten: die eigene Muskelkraft oder die Anschaffung eines E-Bikes.