Ufos, Indianer und ein Vermisstenfall

Lesen oder nicht lesen?
Das ist doch immer die Frage. Lohnt sich ein Buch, das überall beworben und hoch gelobt wird? Und was ist mit unbekannten Titeln, die irgendwo an der Seite liegen, sind die vielleicht besonders gut? Lesegeschmäcker sind verschieden, aber bei manch einem gehypten Roman lohnt sich ein genauer Blick, bevor man ihn zur Hand nimmt. Und andere muss man gezielt suchen, sonst verpasst man was. Hier sind zwei Beispiele.

Bescheiden kommt dieser sensationell gute Roman daher. Vielleicht ist er darum in den Auslagen der großen Buchhandlungen selten zu finden. Dabei ist „Götter ohne Menschen“ ein großartiges Amerika-Porträt und ein absolut spannender Roman, ein bisschen übersinnlich und sehr zeitgenössisch.

Wie erklären wir das Unerklärliche? Woran glauben wir eigentlich (noch)? Und was bleibt, wenn wir am Ende unserer Weisheit sind? Derart existenzielle Fragen wirft der britische Autor Hari Kunzru in seinem brillanten Roman auf und spannt dabei einen erzählerischen Bogen über drei Jahrhunderte. Schauplatz ist die Mojave-Wüste im Westen der USA. Vor allem die Pinnacles, bizarre Felsformationen, die sich wie Säulen in den Himmel recken, faszinieren seit Urzeiten die Menschen: erst Indianer, dann Missionare, später Hippies, Touristen und sogar das Militär. Schon immer haftet dem Ort etwas Mythisches an, Lichterscheinungen wurden gesichtet und Menschen verschwanden hier. Klingt verworren? Ist es aber nicht. Kunzru verknüpft seine Erzählstränge kunstvoll und schafft über die Jahrhunderte eine Verbindung zwischen allen Figuren: Sie erleben in der kalifornischen Wüste Unerklärliches. In der Gegenwart sind das Jaz und Lisa, die mit ihrem vierjährigen Sohn die Touristenattraktion besuchen. Raj ist Autist, was das Paar vor große Herausforderungen stellt und ihre Ehe gefährdet. Beim Ausflug zu den Pinnacles verschwindet Raj spurlos – Auftakt für ein Suchspektakel, bei dem nicht nur alternde Hippies und die verzweifelnden Eltern in Verdacht geraten, sondern auch übersinnliche Kräfte oder Ufos. Und alles scheint auf Größeres zu verweisen, vielleicht das Unerklärliche unserer Existenz. Womöglich gibt es Götter tatsächlich? Darüber lohnt es sich weiß Gott, mal nachzudenken.

Hari Kunzru | Götter ohne Menschen | Liebeskind | 22 Euro