Mit dem Datterich im Arrest
Das waren spannende Zeiten im Darmstädter Biedermeier. Davon zeugt die wohl prominenteste Lokalposse in der Mundart der Darmstädter, Niebergalls allseits bekannter Datterich. Doch zu dieser Zeit, zwischen 1834 und 1836, war noch mehr.
Etwa das, was Anna erlebt, das (fiktive) Hausmädchen bei Medizinalrat Dr. Karl Ernst Büchner, seiner Frau Caroline und den Kindern Georg, Mathilde, Wilhelm, Luise, Ludwig und Alexander. Die Autorin Ella Theiss, der bereits mit „Die Spucke des Teufels“ vor gut zehn Jahren eine beachtliche Roman-Premiere gelungen ist, erzählt in „Darmstädter Nachtgesänge“ von einem authentischen Kriminalfall, der sich 1834 im Odenwald ereignete und der einem strengen Förster zum Verhängnis wurde. Büchners Hausmädchen Anna und der junge Journalist Oscar erleben gemeinsam eine von Theiss klug und unterhaltsam erzählte Geschichte mit vielen Details und Einsichten in das Familienleben der berühmten Darmstädter Familie – einschließlich der Entwicklung Georg Büchners zum Literaten und Revolutionär. Rührend auch, wie sich Anna um die kleine Luise kümmert, die schon sehr früh und sehr wach erkennen lässt, dass auch sie, wie der große Bruder, aufbegehren wird, gegen das, was in jener Zeit und in den Jahren danach von oben kam. Dass auch der Datterich in den „Nachtgesängen“ seinen Gastauftritt hat, zeugt vom besonderen Gespür der in Roßdorf lebenden Autorin für die Darmstädterei dieser Zeit in diesem aufwendig recherchierten, ganz besonderen Darmstadt-Roman, der geprägt ist von umfassendem Lokalkolorit, wie es das in der Kultur regionaler Historischer Romane noch nicht gibt. Frank Horneff
Ella Theiss | Darmstädter Nachtgesänge | etwa 400 Seiten | Edition Oberkassel | 13 Euro