Ein Portrait von Lisa Benericetti | Fotos: Peter Hoffmann

Dr. Felix Prinz zu Löwenstein ist kein Mensch, der Umstände einfach hinnimmt. Vor allem nicht, wenn sie sich negativ auf Menschheit und Erde auswirken. Im Gegenteil: Sein umfangreiches und mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnetes Engagement zeugt von seiner Leidenschaft, Veränderungen anzustoßen. Sein Herzensthema ist die ökologische Landwirtschaft. Seit mehr als 20 Jahren engagiert sich der Agrarwissenschaftler aus dem südhessischen Otzberg-Habitzheim auf verschiedenen Feldern.
So ist der 66 Jahre alte Otzberger seit vielen Jahren Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), dessen bekannteste Mitglieder Bioland, Demeter oder Naturland sind.

„Da wächst auch was, wenn man nicht nachhilft!“

Nach seiner Promotion 1982 und anschließender dreijähriger Entwicklungshelfertätigkeit auf Haiti übernahmen Felix Prinz zu Löwenstein und seine Frau Elisabeth Gräfin von Meran das seit 500 Jahren im Familienbesitz befindliche Hofgut seiner Eltern in Habitzheim. Es folgten sechs Jahre konventionelle Landwirtschaft, bis das Unternehmen Kneipp Anfang der 1990er Jahre Interesse an Löwensteins Produkten und einer Zusammenarbeit bekundet. Der Hersteller von Naturheilkundeprodukten produziert keine Bioprodukte und hatte damals erhebliche Probleme mit Rückständen von Pestiziden. Deshalb wollten sie von den konventionellen Anbauern im vorderen Odenwald Kamille ohne den Einsatz von Chemie erzeugen lassen. Für das Ehepaar war das einer der ausschlaggebenden Impulse, um in der Folge den Betrieb komplett auf biologische Erzeugung umzustellen. Im Studium an der agrarwissenschaftlichen Fakultät der TU München habe er darüber nichts gelernt, damals wurde Bio noch mit Anführungszeichen geschrieben und belächelt, erinnert er sich. Landwirte hatten Vorurteile gegen biologische Landwirtschaft. Seine Erkenntnis beim folgenden Verzicht auf das Spritzen mit chemischen Schädlingsbekämpfungsmitteln: „Da wächst auch was, wenn man nicht nachhilft!“ Zu Löwenstein informierte und bildete sich weiter und begann, sich auch öffentlich für die Ökolandwirtschaft einzusetzen.

Auf das Hofgut bezogen hatten die Eheleute keinen Masterplan, sie handelten spontan und waren damit erfolgreich: „Wir haben die Gelegenheiten ergriffen, wenn sie sich boten“, erinnert er sich. Jetzt leiten seine Tochter Johanna und sein Schwiegersohn Robert den Betrieb, die jüngere Generation gehe die Sache planvoller an: „Johanna und Robert haben richtig losgelegt“, erzählt der Vater von sechs Töchtern stolz. Als er den Betrieb übernahm, standen alle Gebäude leer, inzwischen findet man auf dem Hofgut in der alten Schleppergarage einen Unverpackt-Laden und ein ganzheitliches Gesundheitszentrum.

„Ich glaube an die Marktwirtschaft“

Auch die Familie kann bestätigen, dass das Thema ökologische Landwirtschaft und das damit zusammenhängende System Löwensteins große Leidenschaft sind. „Manchmal verdrehen sie die Augen, wenn ich davon anfange“, lacht er. Als er an seinem 2011 veröffentlichten Buch „Food Crash. Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr“ arbeitete, begann er, weiter zu recherchieren. Den plakativen Titel wählt der Verlag mit Blick auf die Umweltfolgen konven-tioneller Landwirtschaft und Ernährung.

Dass Verbrauchern im Supermarkt neben Lebensmitteln aus konventioneller Landwirtschaft erheblich teurere Biolebensmittel angeboten werden, ist in seinen Augen nicht der richtige Ansatz. Verbraucher sollten eher belohnt werden, wenn sie Bio kaufen: „Mache die bessere Wahl zur leichteren Wahl“. Es gelte also, Lebensmittel aus biologischer Erzeugung zu günstigeren Preisen anzubieten.

Wie so oft lähmen finanzielle Aspekte den Wandel. Die Frage, ob Bio nur für besser Betuchte oder für die Allgemeinheit ist, sollte man sich nicht mehr stellen müssen. Als Möglichkeit der Finanzierung schlägt sein Verband eine Pestizidabgabe vor, die zurück in die Betriebe fließt. Zudem müsse man an den Außengrenzen der EU „Grenzabgaben“ auf Importprodukte erheben, die geringere Auflagen erfüllen müssten. Denn sonst werde die Produktion dorthin abwandern, wo sie billiger darzustellen ist.

„Nichts was man tut, bleibt ohne Folgen“

Allerdings verläuft der Wandel schleppend. „Alles passiert viel zu langsam“, sagt Löwenstein. „Nichts was man tut, bleibt ohne Folgen“, mahnt der Biolandwirt. Ein großer Schritt, Bewusstsein zu schaffen, sei die „Fridays for Future“-Bewegung. Obwohl die Regierung die Thematik aktuell noch nicht entschieden genug angehe, sei eine Transformation unausweichlich. „Wir werden unsere Art zu leben und zu wirtschaften stark verändern müssen“, sagt er. „Ich schwanke zwischen Frustration und Hoffnung“. Das Thema spielt sich an vielen Fronten ab, auf Europaebene müssen sich Rat und Parlament mit der Kommission einigen, es ist viel individueller Gestaltungsraum vorhanden. Mit Labeln für klimagerechte oder tierfreundliche Produktion stiehlt sich die Politik aus der Verantwortung. „Ob mit Allgemeingütern richtig umgegangen wird, entscheidet sich nicht an der Ladenkasse, sondern im Parlament“, ist sich Löwenstein sicher. Er fordert zudem, die Forschungsmittel des Agrarbereichs auf nachhaltige Wirtschaftsformen zu konzentrieren.

Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pesti-ziden belastet Bauern und Verbraucher. Aber vor allem trägt er zur Dezimierung der Biodiversität bei, die sich erschreckend bereits seit Jahrzehnten abzeichnet. Gebraucht werde eine weltgemeinschaftliche Lösung wie beim Ozonloch in den 1980er Jahren.

„Das macht mir einen ungeheuren Spaß!“

Auch Felix zu Löwensteins Leben wird von der anhaltenden COVID-19-Pandemie beeinflusst. Ein positiver Aspekt: Er hat endlich mehr Zeit, sich seiner Familie und früheren Freizeitbeschäftigungen zu widmen. Gerne spielt er klassische Stücke auf dem Klavier. Auch seine Familie bereichert ihn.

Eine weitere Leidenschaft des Prinzen ist das Theater, und zwar als Akteur. Als Unterstützer des maltesischen Projektes „Libanon on Stage“ steht er einmal im Jahr mit jungen Leuten auf der Bühne. Denen ermöglicht die Benefiztheater-Initiative, mit behinderten Menschen aus Beirut und Umgebung ihre Ferien zu verbringen (siehe libanon-on-stage.de). Die Proben finden auf dem Hofgut Habitzheim statt. Die Bedingung dafür war, dass Felix zu Löwenstein selbst mitspielen darf. „Das macht mir einen ungeheuren Spaß!“ sagt er mit einem jugendlichen Schmunzeln im Gesicht. Aufgrund der aktuellen Coronasituation liegen Proben und Tournee aber auf Eis.

„Ich bin optimistisch, weil Pessimismus nicht konstruktiv ist“

Es brauche einen frühen Ansatz, um einen Wandel im Bewusstsein der Gesellschaft anzustoßen, davon ist Löwenstein überzeugt. Das zentrale Thema sei die Ernährungsbildung. Wo früher noch die Familien das Wissen um Ernährung an ihre Kinder weitergegeben haben, sei heute dieser
Erkenntnisfaden gerissen, so Felix zu Löwenstein. Es sei an den Schulen, hier die Bildung zu übernehmen. So genannte Food Schools, in denen Kinder turnusweise miteinander kochen, seien ein guter Ansatz.
Als Vorbild zur erfolgreichen Bio-Umstellung nennt er das Kopenhagen-Modell, das dazu beigetragen hat, erfolgreich bis 2015 ganze 90 Prozent der Nahrungsmittel in den Kopenhagener Kantinen und Mensen aus biologischem Anbau zu beziehen. Möglich macht das eine Einrichtung der dänischen Hauptstadt, die sich um die Weiterbildung des Kantinenpersonals kümmert. Ausschlaggebend aber sei, dass der höhere Preis durch weniger Fleisch, vorverarbeitete Produkte und Lebensmittelabfall ausgeglichen werde.

Nachdem auch in Indien drei Staaten auf ökologische Landwirtschaft umgestellt haben, sei es an der Zeit, dass auch Deutschland den Fokus auf die Umwelt setze.

Felix Prinz zu Löwensteins Vision: „Ich träume von einer transformierten Welt, die mit Ressourcen so umgeht, dass die Welt auch in 10.000 Jahren für uns Menschen noch ein guter Wohnort ist“. Das wäre wünschenswert.

Hofgut Habitzheim
Schlossgasse 7
64853 Otzberg-Habitzheim
Telefon 0 61 62 - 73 494
www.hofgut-habitzheim.de

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