Katharina (29) / Opfer häuslicher Gewalt berichtet:
„Anfangs waren wir ein glückliches Paar, dann schlug es plötzlich um. Ich erlebte, wie aus seiner Liebe und Fürsorge schleichend Misstrauen, Eifersucht und Gewalt wurde. Es fing mit Kleinigkeiten an, dann beleidigte und demütigte er mich. Irgendwann warf er Teller, bedrohte und schlug mich. Meine Verletzungen versuchte ich vor Freunden und meiner Familie zu verbergen. Ich zog mich aus Scham von ihnen zurück. Die Angst vor Wutausbrüchen und Verletzungen meines Partners gehörte schließlich zu meinem Alltag. Mein Selbstvertrauen war im „Keller“ und ich glaubte, ich sei an allem schuld.
Er kontrollierte mich, meine finanziellen Dinge, meine Handykontakte, ja mein ganzes Leben. Manchmal versprach er mir unter Tränen auch Besserung, machte mir Geschenke. Ich glaubte ihm – aber vergebens. Eines Abends eskalierte die Gewalt, Nachbarn riefen die Polizei. Da wusste ich: „Das geht so nicht weiter, ich muss raus, sonst schlägt er mich tot… .“
Die Polizei schritt ein, verwies meinen Partner aus unserer Wohnung und stellte mir einen Kontakt zur Frauenberatungsstelle her. Dort erhielt ich professionelle Hilfe. Es brauchte Monate um mein Selbstvertrauen wiederaufzubauen und zu einem eigenständigen und selbstbestimmten Leben zurückzufinden. Aber, ich habe es geschafft!!!

Heute weiß ich:
„Jeder Mensch hat ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben“ und „Opfer haben keine Schuld.“

Die Opferschutzbeauftragte des PP Südhessen, Sylvia Resch, bestätigt:
„Katharinas Erlebnisse mit partnerschaftlicher Gewalt decken sich mit den polizeilichen Erfahrungen im Opferschutz und sind bei weitem kein Einzelfall. Häusliche Gewalt zieht sich durch alle Bereiche der Gesellschaft!“ Die Fallzahlen der letzten Jahre sind steigend, die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher. Gerade während der aktuellen Corona-Krise besteht für Betroffene die Gefahr, erneut potentielles Opfer zu werden. Hinzu kommen krisenbedingte Kontaktbeschränkungen, die es Opfern zunehmend erschweren auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Deshalb ist es besonders wichtig, frühzeitig Warnsignale zu erkennen und Betroffenen Hilfe anzubieten.

Quelle: hilfetelefon.de

Gewalt hört nicht von alleine auf: Um einen Ausweg aus dem Gewaltkreislauf zu finden, braucht das ganze gewaltbelastete Familiensystem fachliche Unterstützung.
Die Polizei rät Opfern immer eine Strafanzeige zu erstatten, denn nur wenn die Polizei Kenntnis von häuslicher Gewalt erlangt, kann sie Opfer schützen. „Häusliche Gewalt ist kein Kavaliersdelikt“ und wird von der Polizei konsequent verfolgt. Für den Täter bedeutet das: „Wer schlägt, der geht!“.
Opferschutzbeauftragte Sylvia Resch setzt sich gemeinsam mit ihrem Kollegenkreis für den Schutz Betroffener ein. Sie schützen Opfer vor häuslicher Gewalt und informieren Betroffene über Opferrechte und Hilfs- und Beratungsangebote.
Darüber hinaus ist der polizeiliche Opferschutz ebenso wie das „Netzwerk gegen Gewalt“ Kooperationspartner im „Netzwerk Gewaltschutz“ der Stadt Darmstadt und dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und mit regionalen Hilfs- und Beratungsstellen, Behörden und Institutionen
eng vernetzt.
Seit dem Bestehen von Kooperationsbündnissen und behördlichen Handlungsstrategien hat sich für die Gewaltopfer ein einfacherer Zugang zu Unterstützungsangeboten eröffnet: Frauenhäuser, Opferberatungsstellen, Täterberatungsstellen, Kinderberatung.
Eine gute Zusammenarbeit kann sich durch eine effektive Kooperation positiv verstärken. Zielsetzung: Opfer zu schützen und Täter in die
Verantwortung zu ziehen.

Polizeiliche Kriminalstatistik Häusliche Gewalt, 2019
Hessen: 9299 Fälle
Südhessen: 1296 Fälle
Stadt Darmstadt: 237 Fälle
Landkreis Darmstadt-Dieburg: 349 Fälle
*Quelle: BKA.de

Was kann ich für Betroffene in meinem sozialen Umfeld tun?

  • Sie befürchten, dass das Opfer dringend Hilfe benötigt, dann rufen sie sofort den Notruf 110 !
  • Nehmen Sie nach Möglichkeit persönlichen Kontakt zum Opfer auf, ohne sich selbst zu gefährden.
  • Nicht wegsehen – nicht weghören!
  • Bieten Sie dem Opfer Hilfe und Unterstützung an.
  • Ermutigen Sie Betroffene Hilfe z.B. von Frauenberatungsstellen und Hilfeeinrichtungen, sowie dem Hilfetelefon anzunehmen.

Hilfe für Betroffene:

  • Wenn Sie akut bedroht werden oder dringend Hilfe brauchen: Wählen sie sofort den Notruf 110 !
  • Fachberatungsstelle Frauenhaus Darmstadt
    frauenhaus-darmstadt.de
  • Fachberatungsstelle Frauen helfen Frauen e.V. Darmstadt-Dieburg
    frauenhelfenfrauen-da-di.de
  • Frauenberatungsstellen – frauen-gegen-gewalt.de
  • Bundesweites Hilfetelefon: 08000 / 116 016
  • kostenlose und anonyme Beratung in vielen Sprachen rund um die Uhr
    hilfetelefon.de
  • „Weisser Ring“ – Hilfe für Kriminalitätsopfer – weisser-ring.de
  • „Darmstädter Hilfe“- kostenlose Beratung und Hilfe für Opfer von Straftaten, insbesondere auch für von häuslicher Gewalt betroffene Männer – darmstaedter-hilfe.de

Hilfe für betroffene Kinder:

  • Nummer gegen Kummer: 11 61 11
  • Bundesweites Hilfetelefon: 08000 / 116 016
  • kostenlose und anonyme Beratung in vielen Sprachen rund um die Uhr hilfetelefon.de


Hilfe für Männer mit Gewaltproblemen bietet Profamilia

profamilia.de/darmstadt

Gewaltspirale nach Leonore Walker:
„Häusliche Gewalt ist keine Privatsache“!

Häusliche Gewalt kann alle treffen, Frauen und Männer jeden Alters, aus allen Gesellschaftsschichten. Das Zuhause ist kein rechtsfreier Raum. Gewalt ist ein klarer Verstoß gegen das Recht des Menschen auf körperliche und seelische Unversehrtheit.

Phase 1: Spannungsaufbau

Über längeren Zeitraum baut sich eine sehr belastende Spannung auf. Um der Tatperson keinen Grund für Auseinandersetzungen und Wutanfälle zu geben, konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Betroffenen auf die gewalttätige Person. Die Tatperson nutzt die Verantwortungsübernahme aus. „Du bist ja selbst schuld“. Doch die Verantwortung für das gewalttätige Verhalten liegt alleine bei der Tatperson, nicht bei Ihnen.

Phase 2: Gewaltausbruch*

Gewalt umfasst körperliche, sexualisierte, emotionale, soziale und ökonomische Gewalt. Wenn die Gewalt zunimmt, reagieren Opfer unterschiedlich: Flucht, Gegenwehr oder Ertragen der Misshandlung.

*Wichtiger Zeitpunkt, um sich sofort Hilfe zu suchen! Der Kreislauf kann unterbrochen werden. Unmittelbar nach der Gewalt sind viele Betroffene bereit, erste Schritte zu unternehmen, um sich und ihre Kinder zu schützen.

Phase 3: Latenz- oder Honeymoon-Phase

Tatpersonen zeigen oft Reue: Der Täter versucht alles, um seinen Partner nicht zu verlieren. Sie entschuldigen sich vielleicht, sind liebevoll und zugewandt. Viele Betroffene glauben diesen Bemühungen und Versprechen, wollen der Partnerschaft noch eine weitere Chance geben.

Phase 4: Gewaltzyklus beginnt erneut…

Walker, E. Leonore (1980), The battered woman, Harper Perennial, New York

Ansprechpartner:

Polizeipräsidium Südhessen
E4 – Prävention

Orangerieallee 12
64285 Darmstadt

Tel.: 0 61 51 – 969 - 40 30
praevention.ppsh@polizei.hessen.de