

ich bin Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Internet - Recht, Vertrags- und AGB-Recht, Softwarelizenzrecht.
In dieser Rubrik stelle ich Ihnen interessante und aktuelle Urteile vor und erkläre sie allgemeinverständlich.
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Der Fall: jameda betreibt unter der Internetadresse www.jameda.de ein Portal zur Arztsuche und -bewertung. Ein anonymer Nutzer bewertete dort einen Zahnarzt in Bezug auf die Behandlung mit der Note 6. Der Zahnarzt bestreitet, dass er den Bewertenden behandelt hat. Der Zahnarzt forderte jameda vorprozessual zur Entfernung der Bewertung auf. Jameda beließ die Bewertung im Portal. Der Zahnarzt verklagte daraufhin jameda und verlangte von dem Internetportal, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landgericht hat der Klage stattgeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Der für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat diese Entscheidung nun aufgehoben, weil jameda seine Prüfungspflichten nicht ausreichend ausgeübt habe, BGH, Urteil vom 1.3.2016.
Arztbewertungsportale im Internet wie z.B. jameda.de, docinsider.de oder sanego.de werden von vielen Menschen genutzt, um einen passenden Arzt zu finden. Besonders für Ärzte mit eigener Praxis können diese Portale jedoch Fluch und Segen gleichermaßen darstellen.
Über positive Bewertungen wie „Ein sehr kompetenter Arzt“ wird sich der Praxisinhaber sicherlich freuen. Bei negativen Bewertungen wie „So ein Anfänger“ muss er damit rechnen, dass hierdurch Patienten verloren gehen.
Nun muss man unterscheiden zwischen Bewertungsportalen, die sich auf Produkte oder allgemeine Dienstleistungen beziehen und solchen wie hier, wo es sich um höchstpersönliche Bewertungen handelt, nämlich bezogen auf einen bestimmten namentlich genannten Arzt. Letztere sind umstritten, weil es den bewerteten Arzt mehr trifft, wenn seine persönliche Leistung beurteilt wird, als wenn es um ein Produkt geht.
Der Arzt ist Bewertungsportalen nicht schutzlos ausgeliefert. Er ist verfassungsrechtlich durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt, denn dieses schützt seine Sozialsphäre und damit sein Ansehen in der Öffentlichkeit.
Auch die bewertenden Patienten haben ein geschütztes Interesse, nämlich das Grundrecht der freien Meinungsäußerung. Dazu gehört auch, dass sie sich dazu äußern dürfen, ob ihnen eine bestimmte Dienstleistung gefallen hat. Nicht erlaubt sind aber unwahre Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, Verleumdungen und Schmähkritik.
Es kommt also auf das „Wie“ der Einträge an, also die Frage, inwieweit man bestimmte Inhalte von Bewertungen hinnehmen muss.
Der BGH hat nun im vorliegenden Fall entschieden, dass jameda für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung haftet, weil sie ihr zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat. Der BGH sagt: „Der Betrieb eines Bewertungsportals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich. Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewertungen dem betroffenen Arzt, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen. Vor diesem Hintergrund hätte die beklagte Portalbetreiberin die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewertenden auffordern müssen, ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen“.
Fazit:
Der einzelne Arzt muss es grundsätzlich hinnehmen, in den Bewertungsportalen namentlich genannt und bewertet zu werden. Er kann aber gegen rechtswidrige Bewertungen vorgehen und diese löschen lassen, insbesondere, wenn der anonyme Bewerter gar nicht bei dem kritisierten Arzt in Behandlung war. Hierbei kann er sich sowohl gegen den Verfasser der Bewertung wenden, soweit dieser namentlich bekannt ist, als auch an den Betreiber des jeweiligen Portals.