
Der Dresdner Hofkapellmeister Heinrich Schütz hatte es sich zur Aufgabe gemacht Worte „in Music zu übersetzen“, also das Verhältnis von Wort und Musik im Sinne eines wahrhaftigen Ausdrucks des Textgehaltes zu formulieren. Anregungen dazu hatte er bei seinen beiden Italienaufenthalten erhalten, insbesondere bei Giovanni Gabrieli und Alessandro Grandi. Zu den Praktiken, die Schütz aus der Madrigalkunst der italienischen Renaissance in die deutsche mehrstimmige Musik überführte, gehört auch die Übertragung der musikalischen Darstellung von „Affekten“ wie Liebe, Zorn, Schmerz und Freude. Höchst ausdrucksvoll nutzte er „rhetorische Figuren“ als musikalische Träger, die die im Text geschilderten Vorgänge und Situationen lebhaft vor Augen führt. Revolutionär war es diese Technik in der deutschsprachigen Sakralmusik anzuwenden und bedeutete nach dem 30jährigen Krieg eine Neuorientierung der protestantischen Kirchenmusik nach den Vorstellungen eines „musicus poeticus“, der der reformatorischen Idee Martin Luthers folgte: die deutsche Sprache zur Sprache des religiösen Lebens in Deutschland zu machen. Die Bibelübersetzung Luthers gehörten folglich zum viel genutzten Textfundus für Schütz selbst und mehrere seiner Kollegen, Freunde und Schüler.
So veröffentlichte Thomaskantor Johann Hermann Schein, einst Kapellknabe in der Dresdner Hofkapelle mit dem Israels Brünnlein 1623 eine Sammlung geistlicher Vokalkompositionen zu fünf Stimmen & Basso Continuo, die er „auf eine sonderbar Anmutige Italiän. Madrigalische Manier“ verfasst hatte. Als Kapellknabe und Instrumentalist war auch Johann Vierdanck mit der Dresdner Hofkapelle verbunden. Seiner Madrigal-Motette Meine Harfe ist zur Klage geworden liegt ein einziger Vers aus den Klageliedern Hiobs zugrunde, die durch die Klagetonart e-phrygisch ihren schmerzvollen Ausdruck erhält und eine Brücke zur franko-flämischen Motettentradition baut. Die expressive Tonsprache des modernen Madrigals Monteverdi‘scher Prägung strebten auch Christoph Bernhard und Andreas Hammerschmidt an. Bernhard, ab 1648 Sänger an Dresdens Hofkapelle, vereint kunstvoll in dem geistlichen Konzert Wie der Hirsch schreit Elemente des italienischen- und des französischen Stils zu einer bildhaften protestantischen Predigt. Hammerschmids geistliche Chor- und Ensemblemusik verrät die Kenntnis des Schütz’schen Kontrapunktstils – und trug ihrem Urheber ein Lobgedicht des sprachgewandten Sagittarius ein: „Fahrt fort / als wie ihr thut / der Weg ist schon getroffen / Die Bahn ist auffgesperrt / Ihr habt den Zweck erblickt.“