
Dieser englische Gesellschaftsroman erklärt mehr Politik als Nachrichten es tun können. Jonathan Coe, Jahrgang 1961, gehört zu den wichtigsten britischen Autoren. Er erzählt von einem Land zwischen Stolz und Vorurteil, dass es eine helle Freude ist.
Warum stimmten die Briten beim Referendum 2016 für „leave“, also dafür, aus der Europäischen Union auszutreten? War es der Erfolg europafeindlicher Kampagnen? Frust über die vermeintliche Geldverschwendung der EU? Oder etwa der viel gerühmte britische Nationalstolz? Beantworten kann das keiner. Aber davon erzählen, was den Brexit möglich gemacht hat: Coes erzählgewaltiger Roman zeigt, wie Politik mit Persönlichem verwoben ist. Im Mittelpunkt steht der Schriftsteller Benjamin Trotter, der auf dem Land seinen Roman vollenden will. Um ihn scharen sich Vertreter der britischen Mittelklasse, etwa eine Unidozentin (seine Nichte), ein Journalist (sein bester Freund) und ein Brexitbefürworter (sein Vater). Ihnen und vielen anderen folgt Coe von 2010 bis 2016, erzählt ihre Geschichten parallel zum Brexit. Darin steckt viel Wehmut darüber, dass es kommen musste, wie es kam.
Anke Breitmaier
Jonathan Coe | Middle England | Folio Verlag | 25 Euro