
2020 gewann er mit diesem Roman den renommierten Literaturpreis „Prix Goncourt“, aber bei uns ist der französische Autor ziemlich unbekannt. Das könnte sich jetzt ändern. Und das sollte es auch. Denn „Die Anomalie“ ist ein herausragender erzählerischer Coup.
Ausgangspunkt ist ein groteskes Gedankenspiel: Was, wenn man doppelt existiert, also wenn es zwei Mal die gleiche Person gibt? Es beginnt mit einem absurden Szenario: Eine Boing 787 gerät im März 2021 auf ihrem Flug von Paris nach New York in einen Wirbelsturm, trotzdem klappt die Landung. Im Juni des gleichen Jahres landet dieselbe Maschine ein zweites Mal – mit denselben Passagieren an Bord. Kein Wunder, dass dies im misstrauischen Amerika für Aufsehen sorgt. Mal abgesehen davon, dass so etwas ja eigentlich gar nicht möglich ist? Normal ist es jedenfalls nicht, und diese offensichtliche „Anomalie“ ruft das FBI auf den Plan, das die Maschine auf einem Luftwaffenstützpunkt abstellt, um das „Vorkommnis“ zu untersuchen. Im Flieger sitzen unter anderem ein Architekt mit seiner Geliebten, ein Auftragskiller, ein Pop-Sänger, eine Schauspielerin und ein Schriftsteller. Aus deren Leben erzählt Tellier und lässt sie kollidieren mit dem, was ihre biografischen Doppelgänger sein könnten.
Das wirft existenzielle Fragen auf, changiert vom Komischen ins Philosophische, ist mal satirisch, dann wieder nachdenklich. Genau das ist die Stärke dieses in vielerlei Hinsicht außergewöhnlichen Romans, der eine abgefahrene Mischung aus Mystery, Thriller, Komödie und Gesellschaftssatire ist.
Hervé Tellier: Die Anomalie | Rowohlt | 22 Euro
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