Ein widerwärtiges Stück Filmgeschichte

Hamburg, in den 1970er-Jahren. Auf St. Pauli brennt noch Licht, auch im „Goldenen Handschuh“, einer Kiez-Kneipe auf der Reeperbahn. Dort sitzt der Hilfsarbeiter Fritz Honka Abend für Abend und säuft vor sich hin. Das Leben hat es nicht gut gemeint mit dem Mann – doch das soll an dieser Stelle nicht für irgendeine Art von Verständnis sorgen, für Honka, der als Hamburgs unheimlichster Frauenmörder in die Kriminalgeschichte der Elbmetropole eingehen sollte.

Jonas Dassler spielt den Hamburger Serienmörder Fritz Honka.
(Foto: Gordon Timpen/2018 bombero int./Warner Bros. Ent.)

Autor Heinz Strunk hat die Geschichte von Fritz Honka in seinem vielschichtigen, mehrfach ausgezeichneten Roman „Der Goldene Handschuh“ 2016 erzählt, Fatih Akin verfilmte den Stoff 2019, jetzt ist der „Goldene Handschuh“ auf Netflix zu sehen: Nichts für schwache Nerven, der Film lebt von  schonungslosen ekelhaften Szenen, vor allem in der versifften Dachkammer des Serienmörders, alles voll mit Blut, Pisse, Kotze, Gestank. Das ist, was von diesem Film zuallererst bleibt. Das und Respekt vor den Schauspielern, allen voran vor  Hauptdarsteller Jonas Dassler, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 22 Jahre alt und während der Dreharbeiten täglich bis zu drei Stunden in der Maske.

 Im Film tun sich ungewaschene Abgründe auf, werden zerstörte Seelen sichtbar, geht es um Saufen und Sex und um brutalste Gewalt gegen heruntergekommene, vom Leben am Abgrund geprägte Frauen.

Das Schicksal der vier vom Sadisten Honka abgeschlachteten Frauen Ruth Schult, Gertrud Breuer, Anna Beuschel und Rita Roblick bleibt im Film jedenfalls an der Oberfläche. Rita Roblick übrigens hat das KZ der Nazis überlebt – den Sadisten von St. Pauli nicht.

Foto: : Gordon Timpen/Warner Bros.

Die verstümmelten, zersägten Leichen der Frauen versteckte Honka hinter den Wandverkleidungen seiner verkommenen Dachkammer, die er mit Wunderbäumen verzierte, um den Gestank zu kaschieren. Irgendwann fallen den Nachbarn in der Wohnung unter der Dachkammer Maden in die Suppe und es kommt zu einem Brand in dem Wohnhaus. So werden durch Zufall die Leichen(teile) in Fritz Honkas Wohnung entdeckt, ihm wird der Prozess gemacht, er wird  1976 verurteilt: Zu 15 Jahren und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Wegen Mordes in einem Fall und Totschlags in drei Fällen, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit.

1993 kommt er frei,  als Peter Jensen verbrachte er seine letzten  Lebensjahre in einem Altersheim, wo er im Oktober 1998 starb.  Das allerdings zeigt die jetzt auf Netflix abzurufende Akin-Verfilmung nicht mehr. Ein Film, der mit Abscheu und Ekel spielt und -wohl bewusst- die Grenzen jeden Geschmacks überschreitet: Ein widerwärtiges Stück Filmgeschichte. Frank Horneff

Die Fakten

Deutsch/Französische Produktion
Erscheinungsjahr 2019, 110 Minuten
läuft auf Netflix