
Karriere des quirligen Offensivspielers verlief alles andere als geradlinig
Aus der Jugend des HSV und von St. Pauli flog er raus, und auch beim SV Darmstadt 98 sah es lange nicht so aus, als könne sich Braydon Manu durchsetzen. Doch in dieser Saison hat er sich auf ungewohnter Position zum Stammspieler und Leistungsträger gemausert.

Von Stephan Köhnlein
Schnell, trickreich, spektakulär – Braydon Manu hat sich selbst einmal als Überraschungspaket bezeichnet, bei dem man nie so genau wisse, was herauskomme. Das galt allerdings auch lange im Negativen: Undiszipliniert, verspielt, eigensinnig – so sah die andere Seite des Spielers aus. Deswegen tat er sich lange schwer. Das begann schon in der Jugend, als Manu sowohl beim Hamburger SV wie auch beim FC St. Pauli aussortiert wurde. Er sei damals ein ziemlicher Rabauke gewesen, räumte der in Itzehoe geborene und in Hamburg aufgewachsene Sohn ghanaischer Eltern kürzlich ein.
Auch als Profi verlief Manus Karriere zunächst keineswegs geradlinig. Die Wende kam erst, als Torsten Lieberknecht 2021 Trainer beim SV Darmstadt 98 wurde. Der Coach kannte den wuseligen Flügelspieler aus dessen Zeit in Braunschweig. Dort hatte Lieberknecht Nachwuchsmann Manu immer wieder zum Training der Profis dazugeholt. Weil es in Braunschweig jedoch nie für einen Einsatz in der ersten Mannschaft reichte, zog Manu damals weiter zu Drittligist Halle.
Holpriger Start in Darmstadt
Nach zwei guten Spielzeiten dort wechselte er im Sommer 2019 ans Böllenfalltor. Doch in der Vorbereitung verletzte er sich so schwer, dass er erst Ende der Rückrunde zum Einsatz kam. Die Folgesaison wurde nicht besser. Am ersten Spieltag hatte er noch in der Startformation gestanden. Doch dann verlor er seinen Stammplatz, ließ sich in der Winterpause nach Halle ausleihen, um dort Spielpraxis zu sammeln. Als er nach einem halben Jahr nach Darmstadt zurückkehrte, hatten ihn nur die wenigsten auf dem Radar.
Und auch die vergangene Saison begann alles andere als gut für Manu: Wegen einer Corona-Infektion verpasste er die ersten beiden Liga-Spiele. Am dritten Spieltag wurde er in der Schlussphase der Partie gegen Ingolstadt eingewechselt und erzielte das Tor zum 6:1-Endstand. Nach dem Tor flossen die Tränen – eine Mischung aus Freude, Erleichterung und Dankbarkeit.

„Permanent unter Starkstrom“
Fortan stabilisierte sich der Spieler – wohl auch, weil sein Trainer dafür sorgte, dass er Bodenhaftung behielt. Ein Beispiel: Beim Heimspiel gegen Nürnberg etwa hatte Manu im ersten Durchgang die Lilien-Führung vorbereitet, die gegnerische Abwehrreihe, aber leider auch die Lilien-Offensive ziemlich durcheinander gewirbelt.
Lieberknecht ließ den Spieler zur Pause aus taktischen Gründen in der Kabine – auch wenn viele Zuschauer Manu zuvor als besten Spieler gesehen hatten. „Der Junge steht permanent unter Starkstrom”, sagte Lieberknecht. Man habe aber auch gesehen, dass er in der einen oder anderen Situation auch zu hektisch gewesen sei.
In der laufenden Spielzeit stand Manu mit einer Ausnahme in jeder Partie in der Startformation. Nur im ersten Spiel gegen Regensburg kam er von der Bank. In dem Spiel gab es die einzige Niederlage bislang. Manu ist zum Stammspieler gereift, was umso bemerkenswerter ist, weil er einen großen Teil der Hinrunde auf ungewohnter Position zum Einsatz kam. Als gelernter Flügelspieler musste er als zweite Spitze neben Phillip Tietz aushelfen, weil die Lilien nach dem Weggang von Torjäger Luca Pfeiffer keinen Ersatz hatten.
Aushilfsstürmer und Spaßvogel vom Dienst
Mit vier Toren und fünf Vorlagen machte Manu seine Sache sehr gut, auch wenn er kein klassischer Torjäger ist. Zudem schuf er mit seiner Quirligkeit immer wieder Räume für Tietz und die nachrückenden Spieler. Aber nicht nur taktisch hat Manu Fortschritte gemacht, sondern auch konditionell. Musste er früher oft völlig ausgepumpt nach 60 Minuten vom Platz, so reicht die Luft jetzt für 90 Minuten.
Zudem ist Manu der große Spaßvogel. Nach seinen Toren streift er sich schon mal einen ulkigen Fischerhut zum Jubel über. Im Wintertrainingslager in Spanien führte er kürzlich zusammen mit Frank Ronstadt durch das Spielerhotel und kommentierte das teilweise urkomisch. Mit Ronstadt und Patric Pfeiffer – beide ebenfalls mit ghanaischen Wurzeln und in Hamburg aufgewachsen – verbringt Manu viel Zeit auch außerhalb des Platzes.
Was die drei Spieler ebenfalls verbindet, ist der starke christliche Glaube. „Für mich macht es der Glaube sogar viel einfacher, den Beruf auszuüben“, sagt Manu. „Speziell bei Rückschlägen wie Niederlagen oder Verletzungen hilft er, besser damit umgehen zu können und den eigenen Weg weiterzugehen.“
Zur Person
Braydon Marvin Manu kam am 28. März 1997 in Itzehoe zur Welt. Seine Eltern stammen aus Ghana, er wuchs in Hamburg auf, spielte dort in der Jugend für den Hamburger SV und den FC St. Pauli, später auch noch für den SC Condor Hamburg. In der A-Jugend wechselte er zunächst zum Lüneburger SK und später zu Eintracht Braunschweig. Dort erhielt er auch einen Vertrag für die zweite Mannschaft in der Regionalliga Nord. Nach einer Saison zog er weiter zum Halleschen FC in die 3. Liga. Zur Spielzeit 2019/20 schloss er sich dem SV Darmstadt 98 an. In der Rückrunde der folgenden Saison war er nochmals an Halle ausgeliehen. Sein aktueller Vertrag läuft bis zum Sommer 2024. Manu wurde im August 2021 für die ghanaische Nationalmannschaft nominiert, kam aber nicht zum Einsatz.