
Fünf Fragen an die Oberbürgermeisterkandidaten und -kandidatinnen der im Stadtparlament vertretenen Parteien.
- Unsere Gesellschaft ist im Krisenmodus. Was tun Sie als künftiger Oberbürgermeister, um in Darmstadt niemanden zurückzulassen?
- Ein sehr emotional diskutiertes Thema ist in Darmstadt das Miteinander im Straßenverkehr und in Mobilitätsfragen. Wie möchten Sie als Oberbürgermeister Fußgänger, Rad- und Autofahrer, E-Roller und den öffentlichen Personennahverkehr wieder zusammenführen?
- Traditionell ist der Oberbürgermeister in Darmstadt auch Kulturdezernent. Was sind Ihre kulturpolitischen Schwerpunkte?
- Der SV 98 gilt als Aufstiegsaspirant in die Fußball-Bundesliga. Am Saisonende sind Sie möglicherweise schon gewählt – aber noch nicht im Amt. Welche Wünsche geben Sie während einer möglichen Aufstiegsfeier den Lilien mit auf den Weg in die Bundesliga?
- Gehen wir vom wahrscheinlichen Fall einer Stichwahl um das Oberbürgermeisteramt aus – und vom aus Ihrer Sicht vermutlich unwahrscheinlichen Fall, dass Sie es nicht in die Stichwahl schaffen: Wen Ihrer Mitbewerber würden Sie im Falle einer Stichwahl wählen?

- Unser Wirtschaftssystem hat leider die Eigenschaft, Menschen zurückzulassen, deren Arbeitskraft nicht profitabel genug verwertet werden kann. Der Sozialstaat wird seiner Aufgabe, dies durch Transferleistungen und Sozialpolitik auszugleichen, schon lange nicht mehr gerecht. Die großen Lücken, die die Bundespolitik offen lässt, kann die Stadt mit ihren beschränkten Finanzmitteln nicht füllen, aber sie kann Menschen in Not unterstützen, sie kann Menschen durch Bildungsangebote befähigen und sie kann Haushalten mit geringem Einkommen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Dies bestmöglich umzusetzen, ist mein Ziel als Oberbürgermeister.
DIE LINKE hat viele Jahre lang ein Sozialticket für den ÖPNV gefordert. Dieses wurde vor kurzem umgesetzt – links wirkt! Das bundesweite 49-Euro-Ticket ermöglicht es demnächst, ohne große Mehrkosten für die Stadt ein 19-Euro-Sozialticket zu schaffen, das nicht nur im Stadtgebiet, sondern bundesweit gilt. Dafür werde ich mich einsetzen.
Energiesperren und Zwangsräumungen sind eine extreme Form des „Zurücklassens“. Dies will ich in unserer Stadt mit aller Kraft vermeiden. - Die Unentspanntheit hat viel damit zu tun, dass der Straßenraum endlich umverteilt wird vom individuellen Autoverkehr hin zum Umweltverbund, also Fuß- und Radverkehr, Bus und Bahn oder auch Carsharing. Der Verlust von Privilegien im ruhenden und bewegten Verkehr führt zu Unzufriedenheit bei einem Teil der Autofahrer.
Einschränkungen für Kfz-Nutzende lassen sich nicht vermeiden, wenn umwelt- und klimafreundlichere Verkehrsmittel gestärkt werden sollen. Darüber hinaus will ich den Autoverkehr aber nicht „vergrämen“, sondern die Menschen durch kostengünstige und praktikable Alternativen zum Umstieg bewegen: gute Abdeckung, dichter Takt, günstige Fahrpreise im ÖPNV und im Zugverkehr, Ausbau des Heinerliners, sicheres Radwegenetz, Abstellkäfige für Lastenräder und E-Bikes. So werden lebenswerte, autoarme Viertel mehrheitsfähig.
Sicherheit und Komfort verringern den Streß und ermöglichen ein harmonischeres Miteinander: ich bin für Tempo 30 auf den meisten Straßen, abgetrennte Radwege mit sicheren Kreuzungen, Fahrradstraßen und Sanktionierung von regelwidrigem Parken und Radeln auf Bürgersteigen. Es muss selbstverständlich werden, dass alle aufeinander Rücksicht nehmen – daran kann aber auch ein OB nur appellieren. - In der Kulturpolitik liegen mir weniger die „Leuchttürme“ am Herzen, die zwar weit ausstrahlen, aber direkt vor Ort nicht so gut zu sehen sind. Die Mathildenhöhe hätte von mir aus nicht Weltkulturerbe werden müssen. Die Verdrängung des Osthang-Projekts durch das Welterbe-Besucherzentrum zeigt sinnbildlich, dass die „hohe Kultur“ manchmal eben doch in Konkurrenz steht mit der kulturellen Basis. Ich setze mich ein für die freie Kultur, die kleinen Initiativen und die Vielfalt, die Darmstadt hier zu bieten hat. Deren Unterstützung im städtischen Haushalt wurde seit Jahren nicht mehr erhöht. Das möchte ich korrigieren. Außerdem würde ich einen Kulturrat einrichten, der die Interessen der in Darmstadt vertretenen Vereine und Initiativen gegenüber der Politik artikuliert und sie bei der Verteilung der Mittel berät.
- Auszug aus meiner Rede: „Ich wünsche euch eine Saison mit Herz und Vernunft: mit viel Herzblut auf dem Platz, aber mit einer bodenständigen Planung, die uns nicht in der Dritten Liga enden lässt. Ich hoffe eure großartige Mannschaft bleibt zusammen! Ihr könnt euch sicher sein: eine würdevolle Rückkehr in die zweite Liga halten wir gut aus. Vielleicht gelingt euch ja in eurer Bundesliga-Saison genauso ein Coup wie mir bei der OB-Wahl: niemand rechnet mit euch, und plötzlich seid ihr obenauf!“
- Das hängt natürlich davon ab, wer in die zweite Runde kommt. Ich möchte, dass es jemand aus der Opposition wird, damit die Koalition nicht weiterhin alles unter sich ausmachen kann. Eine Stichwahl ohne mich wäre zwar trist, aber in diesem Fall würde ich dann wohl Hanno Benz oder Kerstin Lau wählen.
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